Soljanka (German Edition)
doch mal eine Anfrage an
das gerichtsmedizinische Institut in Salzburg.«
Stamm nickte nachdrücklich und sah seine Notizen durch.
»Das müsste es sein«, sagte er. »Da gibt es einige Merkwürdigkeiten
mit dieser Benachrichtigung. Müller hatte vier Kopien bei sich. Zwei waren
nicht einmal unterschrieben. Warum? Das sieht ja fast so aus, als habe er sich
Zugang zum Computer des Instituts verschafft. Er hatte sogar noch eine andere
Benachrichtigung dabei, die sich auf ein anderes Opfer bezog. Und eine Quittung
der österreichischen Paketpost.«
»Hör auf zu spekulieren und frag nach!«, sagte Hanne und stand auf.
Stamm setzte sich an den Rechner und googelte die Salzburger
Gerichtsmedizin. Er notierte sich die Faxnummer und den Namen der
Institutsleiterin, dann wechselte er zu Word und entwarf ein Anschreiben. Nach
einer Viertelstunde hatte er den Text fertig.
»Sehr geehrte Damen und Herren, im Zuge einer Recherche bin ich auf
ein Anschreiben Ihres Instituts an eine Angehörige eines Opfers des
Bergbahnunglücks von Kaprun im November 2000 gestoßen (s. Anlage). Es befand
sich im Besitz eines Mannes namens Josef Müller, der am 4. Dezember 2000
bei einem Autounfall in Bayern ums Leben gekommen ist. Herr Müller stand in
keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung zu dem in Ihrem Anschreiben genannten
Opfer des Bergbahnunglücks. Von der Ehefrau Erika Dembski kann er es auch nicht
erhalten haben. Sie hat das Schreiben, das sie seinerzeit erhalten hat, nach
eigener Aussage nie aus der Hand gegeben, es befindet sich auch immer noch in
ihren Unterlagen. Ich bitte höflich um Beantwortung folgender Fragen: 1. Haben
Sie eine Erklärung dafür, wie das Schreiben in den Besitz des Herrn Müller
gelangt sein könnte? (Was Sie dem Fax nicht entnehmen können: Es handelt sich
offensichtlich nicht um eine Kopie, der Brief wurde erkennbar auf dem
Briefbogen, der mir vorliegt, unterschrieben.) 2. Die Witwe berichtete
mir, dass die sterblichen Überreste ihres Mannes in Österreich eingeäschert
wurden und ihr eine Urne mit der Asche auf dem Postweg zugestellt wurde.
Handelt es sich hierbei um eine ordnungsgemäße Vorgehensweise? Über eine
baldige Antwort würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen.«
Stamm legte einen Bogen mit dem Briefkopf des Magazins in den Drucker
und druckte den Text aus. Dann unterschrieb er den Brief und faxte ihn zusammen
mit der Benachrichtigung an Erika Dembski an das Gerichtsmedizinische Institut
Salzburg-Linz in Salzburg.
Da sonst nichts Wichtiges anfiel, machte sich Stamm daran, seinen
Schreibtisch aufzuräumen und sein E-Mail-Konto auszumisten. Nach einer Stunde
gönnte er sich eine Pause und rief zu Hause an. Eva berichtete fröhlich, dass
sie sich die Zeit damit vertreibe, dem Stalker aufzulauern. Bislang habe er
sich aber nicht hervorgetraut.
Bis zur Mittagspause hatte Stamm seinen Arbeitsplatz picobello, zur
Belohnung gönnte er sich in einem japanischen Imbiss an der Klosterstraße ein
paar Sushis. Auf dem Weg zurück in die Redaktion rief Wanja an.
»Sehen wir uns gleich?«, fragte er.
»Wenn du die Ratssitzung meinst, logo.«
»Wollt ich dir auch empfohlen haben. Du hast Kostedde heute ja eine
schöne Breitseite verpasst. Das wird er nicht stillschweigend schlucken. Kannst
dich auf einen scharfen öffentlichen Verweis gefasst machen.«
»Ich zitter jetzt schon. Was gibt’s sonst Neues? Hast du was von
Keilmeier gehört?«
Wanja lachte auf. »Dass der Mann korrupt ist, überrascht mich ja
wirklich nicht, dafür kenne ich die Branche gut genug. Aber dass er so ein
Feigling ist … Ich hab ihn ja immer für einen Kerl gehalten. Aber jetzt lässt
er sich lieber verleugnen, anstatt mir offen zu sagen, dass ich raus bin. Was
soll’s, er wird schon sehen, was er davon hat, wenn er auf die
Russen-Connection setzt. Einen ersten Schuss vor den Bug hat er ja heute von
dir bekommen, auch wenn du seinen Namen noch nicht erwähnt hast. Aber ich nehme
an, das kommt noch.«
»Schaun mer mal«, sagte Stamm und verabschiedete sich.
Um halb zwei ging eine E-Mail von der Gerichtsmedizin Salzburg
ein.
»Sehr geehrter Herr Stamm, zu Ihrer Fax-Anfrage vom heutigen Tage
können wir Ihnen mitteilen, dass das betreffende Schreiben in unseren
Unterlagen nicht vorliegt. Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine
Fälschung handelt. Zu Ihrer zweiten Frage empfehlen wir Ihnen, sich mit der
zuständigen Polizeidienststelle, dem Landespolizeikommando Tirol in Innsbruck,
in Verbindung zu
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