Soljanka (German Edition)
nicht.« Sie hob schulterzuckend ihr
Handy hoch und legte es dann auf die Memphis-Kommode. »Ja, das war damals ein
ziemlicher Schock mit dem Herrn Dembski. Er war ein sehr netter Mann.«
»Sehr intelligent«, entgegnete Stamm aufs Geratewohl. »Ich habe viel
von ihm gelernt.«
Sie ging zur Kaffeemaschine. »Noch einen Espresso?«
Stamm überlegte kurz. »Vielleicht lieber einen Latte. Die sah so
verführerisch schaumig aus.«
Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln, holte ein Glas aus dem
Schrank und drückte den entsprechenden Knopf an der DeLonghi. Als sie es vor
ihn auf den Tisch stellte, beugte sie sich eine Spur zu weit vor und streifte
seinen Arm mit ihrer Brust. Sie nahm ihr Glas, ging in die Küche und machte
sich auch noch einen Macchiato, dann setzte sie sich auf den Stuhl neben Stamm.
»Im Beruf habe ich Ulrich Dembski gar nicht erlebt. Was haben Sie
denn so für Geschäfte gemacht?«
»Ach, es ging hauptsächlich darum, die Welt nach dem Fall der Mauer
neu zu ordnen. Den ehemaligen Staatsbesitz der DDR zu privatisieren. Dembski hatte unglaubliche Kenntnisse über beide Seiten. Und
ein bewundernswertes Verhandlungsgeschick. Da konnte ich mir als Grünschnabel
aus dem Westen, der beim Aufbau Ost mithelfen sollte, einiges abschauen.«
Sie schenkte ihm einen demonstrativ interessierten Blick. »Der
Aufbau Ost, das ist für mich als Österreicherin bis heute ein Buch mit sieben
Siegeln. Wie ist das denn so abgelaufen?«
»Das kann man so allgemein nicht beantworten. Es ging in erster
Linie darum, solvente Investoren zu finden, die bereit waren, Geld in die
maroden Strukturen zu stecken, meistens, um etwas ganz Neues aufzubauen«,
schwadronierte Stamm. »Das war von Fall zu Fall unterschiedlich. Einige
Betriebe ließen sich unter neuem Management aufrechterhalten, in anderen Fällen
musste etwas völlig Neues aufgebaut werden. Dembski hatte ein Talent, jeweils
die richtigen Leute zusammenzubringen.«
»Und Ihre Rolle dabei?«
Stamm lachte. »Ja, meine Rolle, die war gar nicht so groß. Wie
gesagt, ich war ein Grünschnabel aus dem Westen, entsandt von einem kleinen
Investmenthaus in Köln. Um ehrlich zu sein, ich habe mich in Mecklenburg
eigentlich gar nicht zurechtgefunden. Das hätte zu einem richtigen
Karriereknick führen können – wenn ich nicht Ulrich Dembski kennengelernt
hätte. Das war nicht nur geschäftlich ein großer Gewinn. Ich bin auch in der
Familie ausgesprochen freundlich aufgenommen worden. Frau Dembski ist eine Seele
von Mensch, und er hatte zwei sehr hübsche und nette Töchter. Leider passierte
da diese Tragödie.«
»Aha«, machte Frau Juraschek.
»Ja, die jüngere Tochter wurde vergewaltigt, ganz schlimm, sie hat
bleibende psychische Probleme davongetragen. Ein Junge aus dem Städtchen geriet
in Verdacht, er hat sich kurz danach unter dubiosen Bedingungen das Leben
genommen. Die Polizei ging eine Zeit lang davon aus, dass Ulrich Dembski aus
Rache dabei nachgeholfen hat. Aber wenn Sie mich fragen, waren die damit völlig
auf dem Holzweg. Ach ja, alte, unschöne Geschichten. Ich bin dann zurück in den
Westen, und danach habe ich ihn nur noch einmal gesehen, als ich ihn hier
besucht habe. Ich muss mich unbedingt mal in Mecklenburg melden, um zu hören,
wie es der Familie geht.«
»Mhm, tun Sie das«, sagte Frau Juraschek geistesabwesend und stand
dann auf. »Verzeihung, Herr …«
»Vossen …«
»Richtig … also ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber …«
»Aber nein«, versicherte Stamm und erhob sich ebenfalls, »Sie müssen
sich doch nicht entschuldigen. Sie haben zu tun, das kann ich mir lebhaft
vorstellen. Verwalten Sie das ganze Haus hier?«
»Dieses und noch einige andere«, sagte sie lächelnd. »Von nichts kommt
nichts.«
Stamm erwiderte das Lächeln. »Wohl wahr. Ja, ich darf mich herzlich
für den köstlichen Espresso bedanken.«
»Dafür nicht«, sagte sie, während sie ihn zur Tür begleitete.
Sobald Stamm im Auto saß, rief er in der Hamburger
Magazin-Redaktion an und verlangte nach Walter Wintermann.
Die Stimme des Wirtschaftsredakteurs, schon im Normalfall durch eine
Packung Filterlose am Tag auf Rod-Stewart-Niveau aufgeraut, krächzte noch mehr
als sonst.
»Erkältet?«, fragte Stamm zur Begrüßung.
»Kannst du wohl laut sagen«, sagte Wintermann. »Drei Grad und ein
Schneeregen, der dir waagerecht ins Gesicht schießt.«
»Tja, was soll ich sagen, hier in Kitzbühel lacht die Sonne, ich
glaube, ich werde gleich mal ’ne Runde
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