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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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den Bilker Bahnhof und entschloss sich, auf die S-Bahn zu setzen. Eine gute
Wahl, denn zwei Minuten später fuhr die S 8 ein. Mit Hilfe einiger
harter, aber fairer Tacklings schaffte er es, sich in die Bahn zu quetschen.
Zehn Minuten später konnte er die Sardinenbüchse am Hauptbahnhof verlassen, und
Punkt zehn Uhr betrat er die Düsseldorfer Redaktion des Magazins.
    »Sieht so aus, als müssten wir den Laden heute allein schmeißen«,
sagte Christa Kümmel zur Begrüßung.
    »Eine erregende Vorstellung«, sagte Stamm, aber er lächelte dabei
freundlich.
    Die Sekretärin streckte ihm trotzdem die Zunge raus. »Du sollst
Hanne über Handy anrufen.«
    Stamm blätterte die Tageszeitungen durch, fand, wie üblich am
Montag, nichts Interessantes außer den Bundesligaberichten und rief seine
Chefin an.
    »Ja?«
    Wenn er es sich nicht schon hätte denken können, wäre Stamm nach
diesem einen Wort im Bilde über Hanne Lohmeyers Laune gewesen.
    »Verschlafen?«, fragte er trotzdem. Er war ja nicht schuld an dem
Wetter.
    »Ich lache später«, sagte Hanne. »Ich bin in der letzten halben
Stunde genau zweihundert Meter vorangekommen. Ein Laster hat sich anscheinend
quergestellt. Ich muss versuchen, mich zu irgendeinem S-Bahnhof
durchzuschlagen. Das Schlimmste ist, ich sehe die Ausfahrt da vorn schon, aber
ich komm nicht dahin.«
    »Hast du Winterreifen?«
    »Sicher.«
    »Sei trotzdem vorsichtig. Unter dem Schnee liegt eine Eisschicht.«
    »Hab’s schon bemerkt. Ich bereue es, überhaupt losgefahren zu sein.«
    »Dann fahr doch wieder nach Hause. Oder steht irgendwas Dringendes
an, von dem ich nichts weiß?«
    »An sich nicht. Das Stück über die Koalitionskrise steht, eventuelle
Änderungen können wir zur Not auch morgen besprechen.«
    »Oder telefonisch. Es bringt mehr, wenn du zu Hause erreichbar bist.
Ich bin ja vorhin mit der S 8 gefahren. Ich kann dir sagen, die drei
Stationen haben mir schon den Rest gegeben. Zehn Minuten länger, und ich wäre
erstickt.«
    »Hm«, machte Hanne, »klingt nicht unvernünftig. Dann erledige du
doch heute den Routinekram. Frag mal Christa, da sind drei, vier Briefe, die
ich heute schreiben wollte. Wär schön, wenn du das übernehmen könntest.«
    »Kein Problem«, versprach Stamm. »Komm gut nach Hause! – Alles klar,
Christa«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte. »Wir bleiben unter uns. Es sei
denn, Werner schafft es noch, aus den Mettmanner Bergen abzufahren. Ich soll
den Routinekram machen. Also her damit!«
    Christa Kümmel nahm einen Stapel Briefe und brachte ihn zu Stamms
Schreibtisch. »Willst du auch die E-Mails?«, fragte sie.
    »Na, was denn sonst?«
    »Ich frage ja nur, weil es ungefähr hundertfuffzig sind.«
    Stamm stöhnte. »Und wahrscheinlich hundertsiebenundvierzig Mal
Müll.«
    »So ungefähr. Soll ich den offensichtlichen Spam aussortieren?«
    »Da wär ich dir dankbar für. Ach ja, und Hanne sagte was von ein
paar Briefen, die zu erledigen sind. Wenn du die vielleicht auch raussuchen
könntest.«
    Die Sekretärin nickte und brachte die Unterlagen von Hanne Lohmeyers
Schreibtisch.
    Mangels anderer Arbeit ließ sich Stamm viel Zeit mit der Durchsicht
der Post. Er war immer wieder fassungslos, welche gigantische
Ressourcenverschwendung die unzähligen PR -Agenturen
betrieben, die ihren Kunden weismachten, sie könnten ihre Werbebotschaften bei
irgendwelchen Medien kostenlos unterbringen. Aber anscheinend lohnte sich der
Aufwand selbst bei einer Erfolgsquote im Promillebereich, denn mehr war mit den
meisten Mitteilungen nicht zu holen. Schon etwas mehr Anklang fanden die
Statements der Parteien zu diversen politischen Themen, obwohl Stamm die
Relevanz der meisten noch niedriger ansiedelte als die einer Kampagne des
Korkverbandes für bunt lackierte Naturböden im Badezimmer. Dass neben den
Partei- und Fraktionsvorständen immer mehr einzelne ehrgeizige Abgeordnete
versuchten, durch einen Overkill an Kommentaren zu Gott und der Welt ab und zu
eine Schlagzeile zu ergattern, verstärkte Stamms Abneigung gegen solchen
politischen Spam an trüben Tagen wie diesem bis zur bedingungslosen Ablehnung.
Nachdem er sich durch die Pressemitteilung eines FDP -Hinterbänklers
aus dem Landtag gequält hatte, der seine unmaßgebliche Meinung zur Ursache der
hohen Spritpreise zum Besten gab, entsorgte Stamm alles, was nach politischem
Statement roch, mit grimmiger Entschlossenheit.
    Zwei Mitteilungen, die immerhin eine vage Hoffnung auf eine halbwegs
interessante Geschichte

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