Soljanka (German Edition)
eröffneten, verführten ihn zu einer Kurzrecherche im
Internet, nach der sich die Themen freilich erledigt hatten. Nachdem er auch
die E-Mails durchgesehen hatte, machte er sich an Hannes Briefe. Um zwölf
verabschiedete sich Christa Kümmel in die Mittagspause.
Kaum war sie zur Tür raus, rief Stamm Wanja an.
»Wie ich höre, hast du die gestrige Rutschpartie überlebt«, sagte
Stamm, nachdem sich Wanja gemeldet hatte. »Ich hoffe, deinem nigelnagelneuen
Touareg geht’s auch einigermaßen.«
»Soweit ich das beurteilen kann … Willst du ihn selbst fragen? Ich
sitz gerade drin.«
»Hör mal, ich hab zwar gestern das Honorar abgelehnt, aber können
wir noch mal drüber reden?«
»Hast du’s dir anders überlegt? Ich hab’s ja gleich für blöd
gehalten …«
»Nein, nein, ich will nach wie vor kein Geld. Aber vielleicht kannst
du mir einen Gefallen tun, nenn es eine Art Naturalhonorar.«
»Du machst mich neugierig.«
»Du hast doch gestern diesen Brief hochgebracht …«
»Ja richtig, du wolltest mich deswegen noch anrufen.«
»Genau, also die Sache ist die, dass Eva seit ein paar Wochen von so
’nem Bekloppten belästigt wird. Schreibt andauernd obszöne Briefe. Ich lass
schon alle verschwinden, die ich finde, damit sie sich nicht zu sehr aufregt.
Aber unter der Woche bin ich natürlich nicht da, da kriegt sie genug mit und
ist schon mächtig genervt.«
»Unschön«, stellte Wanja fest.
»Das kannst du laut sagen. Ich glaube zwar nicht, dass der Bursche
gefährlich ist, aber man kann ja nie wissen. Ich hab gelesen, dass sich Stalker
unter Umständen immer mehr in ihre Obsession hineinsteigern können. Und die
Bullen können nichts machen. Sagen sie jedenfalls. Sie haben’s aufgenommen und
uns empfohlen, eine Fangschaltung einzurichten. Das haben wir natürlich
gemacht, aber am Telefon war er bisher noch nicht. Entweder zu feige oder zu
vorsichtig.«
»Habt ihr denn keine Ahnung, wer die Sau ist?«, fragte Wanja.
»Keine. Wir haben uns stundenlang den Kopf zerbrochen, aber es gibt
wirklich keinen Hinweis. Wir hatten schon überlegt, ob er Eva mit
irgendjemandem verwechselt. Dass er vielleicht nicht mitbekommen hat, dass die
Vormieterin ausgezogen ist. Aber irgendwann hat er geschrieben, dass er Eva
beobachtet hat. Wir sind echt ratlos. Und da fiel mir die Nacht ein, dass ihr
ja einen Privatdetektiv auf diesen Russen aus der Schweiz ansetzen wollt.
Könnte der nicht, quasi als Bonus, ein paar Tage lang unsere Bude überwachen?
Wenn er das Arschloch beim Briefeeinwerfen erwischt, könnten wir ihm die Ohren
lang ziehen.«
»Klar«, sagte Wanja ohne nachzudenken. »Zwar will sich Keilmeier
eigentlich um den Privatdetektiv kümmern, aber ich kann das bestimmt
einstielen. Wann soll er denn mit der Überwachung anfangen?«
»So bald wie möglich, wann er Zeit hat, auf ein paar Tage kommt es
jetzt auch nicht an. Wir wissen ja auch nicht, wann wieder eine Schweinerei
kommt. So zwei-, dreimal die Woche sticht ihn der Hafer. Mal wirft er die
Briefe selbst ein, mal kommen sie per Post.«
»Okay«, sagte Wanja, »ich stiel das ein.«
»Super, vielen Dank.«
»Nichts zu danken, ich meld mich die Tage. Jetzt muss ich aber
Schluss machen, ich fahr gerade in den Rheinufertun–« Die Verbindung riss ab.
Bis Christa Kümmel aus der Mittagspause kam, beobachtete Stamm die
Schneeflocken, die vor dem Fenster tanzten. Er spielte schon mit dem Gedanken,
im Warmen zu bleiben, aber als die Sekretärin wieder da war, überlegte er es
sich anders. Mit hochgeschlagenem Kragen stapfte er ziellos durch den Schnee.
Er hatte keinen Hunger und keine Lust, irgendwo einzukehren. Aber als er anfing
zu frieren, beschloss er, sich im Hauptbahnhof ein wenig aufzuwärmen und
wenigstens eine Laugenbrezel zu essen. Kauend durchquerte er die Bahnhofshalle
und fand sich am Oberbilker Ausgang wieder.
Einem plötzlichen Einfall folgend ging er über den Vorplatz und
betrat das städtische Bürgerbüro. Er fragte nach Thomas Busch und bekam eine
Wegbeschreibung zu dessen Büro.
Sein Sportsfreund aus Jugendtagen saß am Schreibtisch und aß ein
Butterbrot. Stamm konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»So lob ich mir den deutschen Beamten. Bütterken aus der Tupperdose.
Hast du wenigstens auch die passende Aktentasche dazu?«
Busch bückte sich und hob eine hellbraune Ledertasche hoch, mit der
schon sein Vater ins Rathaus gegangen sein mochte.
»Von einem kargen Beamtengehalt kannst du es dir nicht leisten,
jeden Mittag essen zu
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