Soljanka (German Edition)
auch die Kraft, sich aus ihrer Dunkelheit zu befreien. Ich kannte
Thilo ja auch seit vielen Jahren. Er ist ein guter Mann.«
»Thilo Bach glaubt, dass Ihr Mann ihn nach Bautzen gebracht hat.«
Stamm merkte, dass sie sich einigelte.
»Er wird seine Gründe haben«, sagte sie einsilbig.
Stamm hakte nach. »Und dann lässt es Ihr Mann einfach zu, dass ihm
Bach seine Tochter wegnimmt?«
»Ach, wissen Sie, meinem Mann war es doch längst egal, was mit
Angela ist. Er hat vielleicht sogar gehofft, dass ihn Thilo wegen seiner
Geschäfte in Ruhe lässt. Das war doch sogar ziemlich praktisch, oder?«
»Aber dann musste Ihr Mann doch noch das Weite suchen. Was war
passiert?«
»Ich habe keine Ahnung. Das war ja auch Jahre später. Sie sagten, es
hätte eine Anzeige wegen sexuellem Missbrauch gegeben. Aber davon weiß ich
nichts. Ich bin immer davon ausgegangen, dass sie ihm wegen seiner Geschäfte
auf die Schliche gekommen waren. Dass er deswegen abgehauen ist.« Sie sah ihn
plötzlich mit einem bohrenden Blick an. »Soll ich Ihnen was sagen? Ich war
froh, dass er weg war. Wir hatten uns sowieso nichts mehr zu sagen.«
»Vorhin haben Sie ihn doch noch in Schutz genommen vor den
Geschichten, die über ihn in Umlauf waren.«
»Das tue ich nach wie vor«, sagte sie nachdrücklich. »Da ist viel
übertrieben worden. Trotzdem konnte ich nicht mehr mit ihm zusammenleben. Wenn
ich die Kraft gehabt hätte, hätte ich ihn schon vorher verlassen. All die Jahre
… Es war schrecklich. Ich war in Behandlung wegen Depressionen. Wenn die
Medikamente nicht gewesen wären, hätte ich längst Schluss gemacht.
Wahrscheinlich habe ich auch die ganze Zeit gehofft, dass sich Angelas Zustand
verbessert. Oder auf ein Lebenszeichen von Birgit. Ich erinnere mich kaum noch
an diese Jahre. Als hätte sich ein dichter Nebel über sie gelegt.«
Sie schenkte sich noch einen Wodka ein. Stamm bekam Lust, einen
mitzutrinken, wehrte dann aber ihre einladende Geste mit einer Handbewegung ab.
»Wann genau kam dann die Nachricht von seinem Tod?«, fragte er.
»Ein paar Monate, nachdem er weg war.« Sie lächelte freudlos, schon
ein wenig benebelt.
»Haben Sie wenigstens genug geerbt, um über die Runden zu kommen?«,
fragte Stamm, während er auf die Uhr sah.
»Ach ja, es war schon einiges da, ich nage nicht am Hungertuch, vor
allem, nachdem ich das Haus in Waren verkauft habe. Aber ich wette, dass noch
einiges Geld auf einem Nummernkonto in der Schweiz verschimmelt. Was soll’s, es
war ja wohl sowieso nicht ehrlich verdient.«
Stamm nickte und stand auf. »Ich muss noch nach Düsseldorf. Vielen
Dank, Frau Dembski, dass Sie so offen waren. Ich bin froh, dass wir dieses
Gespräch geführt haben. Vieles erscheint mir jetzt in einem anderen Licht.«
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte sie.
»Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht. Es gibt noch so viele
Fragen. Ich muss einiges recherchieren. Ob am Ende ein Artikel herauskommt,
kann ich nicht sagen.«
»Wenn Sie etwas schreiben, kann ich das vielleicht vorher lesen? Es
ist schon so viel Falsches im Umlauf …«
»Ich denke darüber nach.«
Mit ihrer gebeugten Haltung und den fest vor der Brust verschränkten
Armen sah sie mitleiderregend aus. »Darf ich noch eine Bitte äußern?«
»Natürlich.«
»Können Sie vielleicht mit Angelas Therapeutin reden? Ich würde
meine Tochter so gern wiedersehen.«
»Das kann ich tun«, versprach Stamm.
Auf dem Weg zum Auto überprüfte er sein Handy. Der Anruf, den er
während seines Gesprächs mit Erika Dembski unterdrückt hatte, war von Wanja. Er
rief zurück. Wanja kam sofort zur Sache.
»Hör mal, du kriegst doch bestimmt die Polizeimeldungen in die
Redaktion?«
»Nicht alle. Was gibt’s denn?«
»Ein Mord an der Graf-Adolf-Straße.«
»Den müssten wir eigentlich haben, ich kann’s aber nicht überprüfen,
ich turne irgendwo in Thüringen herum. Was ist damit?«
»Unser Privatschnüffler«, sagte Wanja abgehackt. »Wurde in seinem
Büro mit einer Kugel im Kopf gefunden.«
»Ach du Scheiße!« Stamm brauchte eine Weile, um seine Sprache
wiederzufinden. »Meine Fresse, Wanja, in was für eine Geschichte hast du mich
da reingezogen?«
»Mir macht’s auch nicht wirklich Spaß, das kannst du mir glauben.
Ich mein, sagen wir mal so, noch ist nicht klar, dass der Mord was mit unserem
Projekt zu tun hat, aber trotzdem …«
»Weißt du sonst noch was?«, fragte Stamm.
»Nee, deshalb rufe ich ja an. Ich will natürlich wissen, was die
Bullen dazu
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