Soljanka (German Edition)
Wanja, die in Hemdsärmeln um
den Küchentisch saßen, trug der Anwalt einen schwarzen Anzug und unter dem
Sakko einen kaffeebraunen Kaschmirpullover. »Was meinst du, wie lange es
dauert, bis sie Nellissens Unterlagen über deinen Auftrag gefunden haben? Der
hat doch bestimmt schon jede Menge Aufzeichnungen gemacht. Was meinst du wohl,
wie die Polizei das findet, wenn du nichts davon erzählst?«
»Ich will doch gar nicht abstreiten, dass ich Nellissen beauftragt
hab«, widersprach Keilmeier trotzig. »Aber ich muss denen doch nicht auf die
Nase binden, weshalb.«
»Dann nenn mir doch mal einen vernünftigen Grund, warum du Nellissen
auf diesen Russen angesetzt hast«, sagte Fischbach. »Einen, der nichts mit
Düsseldorf und Kostedde zu tun hat, meine ich. Und sag mir vor allem, was für
eine plausible Geschichte du denen erzählen willst, falls sie nachhaken.«
»Das ist doch gar kein Problem. Ich sag denen einfach, dieser
Tutschkin wollte mit mir bei irgendeinem Projekt weiß der Geier wo ins Geschäft
kommen, und ich wollte ihn vorher ein bisschen abchecken.«
Fischbach winkte ab. »Hör doch auf, Rolf! Die werden nachhaken, und
zwar so lange, bis dir irgendwann nichts mehr einfällt und du anfängst, dich in
Widersprüche zu verstricken. Ich weiß ja nicht, was die sonst für Spuren haben,
aber dieser Russe ist einfach zu attraktiv, um die Ermittlungen fallen zu
lassen. Der springende Punkt ist, dass es hier um Mord geht. Die werden jede
Kleinigkeit über ihn wissen wollen, und wenn sie von dir nicht erfahren, dass
der Typ in Düsseldorf ein Ding laufen hat, dann von jemand anderem. Du kannst
denen noch so viele Storys von irgendwelchen anderen Projekten erzählen, die
werden dir einfach nicht glauben. Das wäre die sicherste Methode, um die Jungs
so richtig neugierig zu machen. Sie werden sich fragen, warum du nicht mit der
Wahrheit herausrückst.«
Keilmeier brummte unwillig, schien aber auch keine Gegenargumente
mehr zu haben.
»Klingt vollkommen plausibel«, sagte Stamm. »Im Übrigen kann ich
auch gar nicht erkennen, welchen Nachteil so eine Aussage haben soll. Es ist ja
zunächst nicht mal gesagt, dass Kostedde davon erfährt. Die Polizei ist ja
nicht seine Behörde.« Er lächelte, als er Keilmeiers entgeistertem Blick
begegnete. »Schon gut, so naiv bin ich auch wieder nicht. Gehen wir also davon
aus, dass irgendjemand dem OB steckt, was
Sie der Polizei gesagt haben. Na und? Die Frage ist ja, wie Sie das der Polizei
erzählen. Sie müssen denen ja nicht erzählen, dass Kostedde mit einem
zwielichtigen Russen ein krummes Ding ausbaldowert hat. Sie waren einfach
besorgt, weil Ihnen irgendwelche Gerüchte über den schlechten Ruf Tutschkins zu
Ohren gekommen sind. Sagen Sie, Sie wollten den OB schützen oder so was in der Art.«
»Kostedde lässt sich doch nicht verarschen«, polterte Keilmeier.
»Also allmählich verstehe ich die Welt nicht mehr, Rolf«, schaltete
sich Wanja ein. »Seit wann willst du denn bei Kostedde gut Wetter machen? Ich
will dich nur mal an unseren ursprünglichen Plan erinnern. Nellissen sollte
doch gerade irgendwas Fieses über Tutschkin herausfinden, damit wir durch
öffentlichen Druck deren Projekt kaputt machen können.«
»Schon richtig«, lenkte der Baulöwe ein, »aber es gehörte nicht zum
Plan, dass Kostedde erfährt, wer ihm da in die Suppe spuckt. Außerdem glaube
ich nicht, dass Nellissen schon irgendwas Brauchbares herausgefunden hat.«
»Aber dafür haben wir jetzt eine Leiche«, sagte Fischbach und nippte
an seinem Glas. Ein paar Sekunden lang genoss er den Ausdruck von Irritation
bis Missbilligung in den Blicken, mit denen die anderen seinen Einwurf
quittierten. Dann fragte er: »Was glauben Sie, Herr Stamm, würde die Presse
Wind davon bekommen, wenn die Polizei in Richtung Tutschkin ermittelt?«
»Höchstwahrscheinlich. Auf jeden Fall, wenn sie wüssten, wonach sie
fragen sollen.« Er lächelte anerkennend.
»Und was glaubst du, lieber Rolf«, fuhr der Anwalt fort, »wie groß
sind Kosteddes politische Chancen, ein solches Projekt mit jemandem
durchzuziehen, für den sich die Polizei im Zusammenhang mit einer Mordsache
interessiert?«
»Null«, sagte Wanja strahlend.
»Du bist noch wach?«, fragte Stamm erstaunt, als er Eva in eine
Decke gekuschelt auf dem Sofa sitzen sah. Nur die Tischlampe mit der
Fünfundzwanzig-Watt-Funzel, die zudem von einem dunkelgrünen Stoffschirm
gedämpft wurde, brannte. Der Fernseher lief zwar, war aber so leise
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