Soljanka (German Edition)
gestellt,
dass sie aus ihrer Position unmöglich etwas verstehen konnte. Stamm hatte Eva
vergeblich im Schlafzimmer und in den anderen Räumen im unteren Teil der
Wohnung gesucht, bevor er dem schwachen Lichtschimmer nach oben gefolgt war.
»Was ist los?«, fragte er, als Eva nicht antwortete. Er ging zu ihr
und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, löste sich aber schnell
wieder von ihr, um sie besorgt mustern zu können. Sein Blick wanderte
unwillkürlich zu ihrem Bauch.
Sie zeigte auf ein zusammengefaltetes Blatt Papier auf dem
Couchtisch. Stamm faltete es auseinander, ließ es aber nach einem kurzen Blick
seufzend wieder auf den Tisch fallen und setzte sich zu Eva.
»Allmählich macht er mir Angst«, murmelte sie.
»Warum hast du vorhin nichts gesagt?«, fragte Stamm. »Dann wäre ich
nicht mehr zu Keilmeier gefahren.«
»Du warst bei Keilmeier?«
»Krisensitzung. Wanja hat mich gebeten vorbeizuschauen. Der
Detektiv, den sie auf den Russen angesetzt haben, ist ermordet worden. Jetzt
wissen sie nicht, wie sie sich gegenüber der Polizei verhalten sollen.«
»Du lieber Gott, Hans, diese Sache gerät aber arg außer Kontrolle.
Musst du da unbedingt weiter mitmachen?«
»Ich bin praktisch raus«, erwiderte er. »Wie gesagt, wenn du vorhin
was gesagt hättest, wäre ich gar nicht mehr hingefahren.«
Sie schüttelte den Kopf. »Da wusste ich noch nichts davon.« Mit
einer Geste, die ihren ganzen Ekel ausdrückte, wies sie auf den Zettel auf dem
Tisch. »Das ist ja das Problem. Ich hatte mich ja an das Arschloch fast
gewöhnt, er schreibt ja auch nichts wirklich Neues«, sagte sie mit kurz
aufflammendem Sarkasmus, doch sofort gewann ihre Besorgnis wieder die Oberhand.
»Er hat den Umschlag unter der Tür durchgeschoben. Es klingelte plötzlich, und
als ich zur Tür ging, sah ich den Umschlag in der Diele liegen. Durch den Spion
war aber niemand zu sehen. Ich hab die Tür natürlich nicht aufgemacht, aber
allein die Tatsache, dass er sich ins Haus traut … Und dass er reinkommt. Das
ist nicht mehr witzig.«
Stamm nahm sie in den Arm. »Wann war das?«, fragte er.
»Vor einer Stunde oder so.«
»Er ist ein Feigling.« Stamm versuchte, überzeugend zu klingen. »Er
war bestimmt schon wieder raus aus dem Haus und hat von unten geklingelt. Ich
glaube, ich muss doch mal mit Korn sprechen.«
»Wieso mit Korn?«, fragte sie überrascht. »Der ist doch für Morde
und so was zuständig.«
»Die Sache ist ein wenig kompliziert«, sagte Stamm. »Dieser
Detektiv, der jetzt ermordet wurde, der hatte auch den Auftrag, ein wenig auf
dich aufzupassen.«
»Was?«
»Ich hab nichts gesagt, weil ich dich mit diesem Mist nicht unnötig
belasten wollte. Als Wanja am letzten Sonntag hier war und mir ein Honorar für
meine Beratung bei Keilmeier aufdrängen wollte … Ich hab das ja abgelehnt, aber
später habe ich Wanja gebeten, den Detektiv auch auf unser Arschloch
anzusetzen, als Naturalhonorar quasi. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, ob
der wirklich schon was unternommen hatte, aber du weißt doch, an dem Abend, als
ich aus Waren kam, da bin ich noch mal draußen gewesen wegen diesem Auto, das
dir vorher aufgefallen war. Ich bin da einem Typen in die Arme gelaufen, der
irgendwo herumgelungert hatte. Ich glaube eigentlich, dass das der Detektiv
oder einer seiner Leute war. Tja, jetzt ist dieser Nellissen leider tot. Keine
Ahnung, warum er ermordet wurde, aber man kann natürlich auch nicht ganz
ausschließen, dass es was mit unserem Arschloch zu tun hat. Allein deshalb
müsste ich mit Korn sprechen.«
Eva sah ihn entgeistert an. »Das ist ja sehr beruhigend.«
Er drückte sie fest. »Es ist nur eine Möglichkeit. Eine äußerst
unwahrscheinliche.«
SIEBEN
Am Dienstagmorgen war Stamm der Erste in der Redaktion. Er
war um halb sieben aufgewacht und hatte nicht mehr einschlafen können. Er
nutzte die Ruhe und rief Hauptkommissar Korn an, einen aufrechten
Mordermittler, dem er schon bei einigen Gelegenheiten in die Quere gekommen
war. Sie kamen dennoch gut miteinander aus. Der Hauptkommissar war
erwartungsgemäß schon im Dienst.
»Morgen, Herr Korn, Hans Stamm vom Magazin. Ich rufe wegen der
Mordsache Nellissen an. Sie wissen schon, dieser Detektiv …«
»Herr Stamm, wie nett, mal wieder von Ihnen zu hören. Mir geht’s so
weit ganz gut, danke der Nachfrage. Ich hoffe, bei Ihnen zu Hause auch alles
gesund.«
Stamm grinste. »Bin wohl ein bisschen mit der Tür ins Haus gefallen.
Tut mir leid, aber ich
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