Soljanka (German Edition)
nie
wiedergekommen. Und wir standen da und wussten absolut nicht mehr, was wir
machen sollten.«
Stamm wartete, bis er meinte, dass sich ihre aufgewirbelten
Erinnerungen wieder gesetzt hatten. Dann fragte er: »Wann fing das mit der
Satanistengeschichte an, bevor Birgit weggegangen ist oder danach?«
»Angefangen hat es vorher. Ich weiß noch, dass es eigentlich Birgit
war, die zuerst etwas von einem maskierten Mann erzählt hat, der etwas mit der
… mit dem Vorfall zu tun haben soll. Angeblich hätte Angela ihr das gesagt. Wir
haben erst nicht viel darauf gegeben, denn Birgit wollte von Anfang an nicht
wahrhaben, dass es Rico war, der ihre Schwester vergewaltigt hat. Er war ein
Schulkollege von ihr. Von Angela selbst haben wir die Geschichte erst später
gehört, und sie hat sich mit der Zeit auch verändert. Sie hat sich immer weiter
hineingesteigert. Da fing auch die Sache mit dem Baby an. Es war die Hölle«,
murmelte sie.
»Und Ihr Mann?«, fragte Stamm schnell. »Wie ist er mit der Situation
umgegangen?«
»Mein Mann«, schnaubte sie. »Mein Mann war nicht der Mensch, der
sich lange mit einer Situation aufhält, die er nicht irgendwie … regeln kann.
Er merkte schnell, dass er keinen Zugang zu Angela bekam, also hat er es auch
nicht weiter versucht und sich lieber um seine Geschäfte gekümmert. Ich kann’s
ihm nicht einmal verdenken, Angela war ja …« Sie sah Stamm nachdenklich an,
dann senkte sie den Blick. »Ach, es war alles so schwierig«, setzte sie
seufzend wieder ein. »Er hatte da gerade eine größere Sache laufen, um die er
sich intensiv kümmern musste. Da war er in seinem Element. Ich weiß noch, dass
wir uns manchmal gestritten haben, weil er andauernd seine Geschäftspartner zu
uns einlud. Ich hatte einfach nicht die Kraft, die gute Gastgeberin zu spielen,
während oben meine Tochter vor sich hin vegetierte.«
»Ging es dabei um die Abwicklung dieses Mastbetriebs in
Neustrelitz?«
»Woher wissen Sie denn davon?«, fragte sie überrascht.
»Ich habe mich informiert.«
Sie nickte. »Genau darum ging es. Fragen Sie mich nicht, was da
genau abgelaufen ist. Ich weiß nur, dass wir immer wieder Besuch hatten. Der
Landrat, irgendwelche Politiker und diese Anwälte aus dem Westen.«
»Anwälte?«, hakte Stamm ein. »Ich weiß nur von einem namens van
Wateren oder so.«
»Der war oft da, zumindest am Anfang. Ein komischer Kauz, ich bin
nie warm mit ihm geworden. Wahnsinnig höflich, aber man hatte immer das Gefühl,
er meint es nicht wirklich. Außerdem trank er zu viel, und dann wurde er
anstrengend. Hielt uns immer Vorträge, was die Ossis noch lernen müssten, um
Anschluss an den Westen zu bekommen. Dann ist er auch meinem Mann auf die
Nerven gegangen. Zum Schluss tauchte er auch nicht mehr auf. Ich nehme an, mein
Mann hat dafür gesorgt, dass sie einen anderen rüberschicken. Wenn ich mich
recht erinnere, war das irgendwie der Chef von diesem … wie hieß er noch mal?«
»Van Wateren.«
»Genau. Mit diesem anderen hat mein Mann dann die Sache zu Ende
gebracht. Das war ein ganz unsympathischer Kerl. Arrogant und irgendwie
unnahbar. Aber das war mir lieber. Der tat nicht einmal so, als interessiere
ihn irgendwas außerhalb des eigentlichen Geschäfts. Musste ich mich wenigstens
nicht mit ihm unterhalten.«
»Können Sie sich noch an seinen Namen erinnern?«
Sie dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Wenn Sie mir
einen Namen nennen würden, könnte ich Ihnen wahrscheinlich sagen, ob er’s war
oder nicht. Aber so erinnere ich mich nicht.«
»Ist ja auch egal«, sagte Stamm. »Aber was mich noch interessieren
würde: Wie war das damals mit Thilo Bach? Ich meine, wie kam es dazu, dass
Angela zu ihm gezogen ist?«
Sie senkte den Blick und massierte sich den Nacken. »Das ist schwer
zu begreifen, ich weiß. Aber als Thilo Bach wieder auftauchte und Kontakt zu
Angela bekam, war schon mehr als ein Jahr vergangen. Monate, in denen sie
praktisch keine Fortschritte gemacht hatte. Ich war verzweifelt, zermürbt.
Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte mich nicht dagegen wehren können, dass
sie weggeht. Aber ehrlich gesagt, ich habe es gar nicht versucht. Vielleicht
habe ich gehofft, dass sich ihr Zustand durch diese Veränderung verbessern
würde. Ich war mit meinem Latein einfach am Ende, ich konnte nicht mehr. Ich
habe gehofft, dass Thilo das schafft, wozu ich nicht in der Lage war. Vor
allem, weil es Angelas Wille war. Ich dachte, wenn sie es will, dann hat sie
vielleicht
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