Soljanka (German Edition)
rausgeben, bevor ich das morgen in der Zeitung lese.«
»Wann ist es denn passiert?«
»Gestern Nacht, soweit ich gehört habe. Keilmeier hat mir vorhin
Bescheid gesagt. Er hat bei Nellissen angerufen und hatte die Polizei an der
Strippe.«
»Okay«, sagte Stamm. »Ich kümmer mich drum, sobald ich wieder in
Düsseldorf bin. Wird aber spät.«
»Egal. Ruf an, sobald du irgendwas weißt.«
Trotz einer Currywurst-Pause kurz vor Kassel brauchte Stamm nur
drei Stunden bis Düsseldorf. Er quälte seinen Peugeot mit hundertsiebzig über
die freien Autobahnen. Von unterwegs rief er Eva an, und als er hörte, dass es
ihr gut ging, riet er ihr, nicht auf ihn zu warten. Es würde spät werden. Um
halb elf durchsuchte er in der Magazin-Redaktion die im Lauf des Tages
eingegangenen Mitteilungen.
Am Mittag hatte die Polizei zu einer Pressekonferenz eingeladen, auf
der die Staatsanwaltschaft Näheres zu einem Tötungsdelikt an der
Graf-Adolf-Straße mitteilen würde. Am späteren Nachmittag war dann eine
Zusammenfassung per E-Mail gekommen. Die Informationen waren recht dünn, der
Polizei ging es vor allem darum, Hinweise aus der Bevölkerung zu bekommen. Sie
tappte in Bezug auf Täter und Motiv offensichtlich noch völlig im Dunkeln.
Anton Nellissen war am Morgen von seiner Sekretärin gefunden worden,
als sie zur Arbeit gekommen war. Es muss kein schöner Anblick gewesen sein. Ihr
Chef war an einen Heizkörper gefesselt, den Mund mit Klebeband verschlossen.
Die Leiche habe »Spuren von Misshandlungen« gezeigt, gestorben war Nellissen
aber, wie Wanja gesagt hatte, an einem Kopfschuss. Die Polizei suchte nun
Zeugen, die in der Nacht am Tatort irgendetwas Verdächtiges bemerkt hatten.
Stamm rief Wanja an und berichtete ihm, was er über den Mord
erfahren hatte. Wanja war schon im Bilde. Antenne Düsseldorf hatte über die
Pressekonferenz berichtet.
»Hör mal«, sagte Wanja, »wir sitzen hier bei Rolf Keilmeier
zusammen. Meinst du, du könntest herkommen? Kleines Strategiegespräch.«
»Jetzt?«
»Die Zeit drängt ein wenig.«
»Ich weiß nicht, Wanja. Ich wollte mit der Sache eigentlich nichts
mehr zu tun haben. Und ehrlich gesagt, ist mein Interesse nach dem Mord gegen
Null gesunken.«
»Komm, Hans, tu mir den Gefallen. Ist ja nichts Illegales, was wir
hier machen. Und du bleibst ja nominell sowieso außen vor. Aber wir haben hier
schwierige Entscheidungen zu treffen. Wär, glaub ich, ganz wichtig, eine
unvoreingenommene Meinung zu hören. Guck mal, Keilmeier sitzt mir gegenüber und
nickt eifrig. Er würde auch gern hören, was du sagst.«
Stamm lehnte sich zurück und schloss ein paar Sekunden lang die
Augen, dann seufzte er. »Ich bin in einer Viertelstunde da.«
Die Runde war diesmal wesentlich kleiner und der Wein bescheidener,
soweit Stamm es beurteilen konnte. Wanja, Keilmeier und Rechtsanwalt Fischbach
tranken einen australischen Shiraz.
»Ich weiß es zu schätzen, dass Sie es so spontan einrichten
konnten«, wandte sich der Baulöwe an Stamm, als dieser auch ein volles Glas vor
sich stehen hatte. »Wir hängen ja ganz schön am Fliegenfänger.«
»Wieso eigentlich?«, fragte Stamm. »Ich hoffe doch nicht, dass einer
von Ihnen den armen Detektiv um die Ecke gebracht hat.«
Keilmeier brauchte ein paar Sekunden, bis er sich entschieden hatte,
wie er auf Stamms Bemerkung reagieren sollte. Schließlich entblößte er die
Zähne zu einem lauernden Grinsen.
»Okay«, brummte er, »sagen wir, wir sind in einer problematischen
Situation, in der wir keinen Fehler machen sollten. Der Punkt ist der: Ich habe
heute Mittag bei Nellissen angerufen und hatte die Polizei an der Strippe. Ich
habe denen gesagt, dass ich ihn wegen eines Auftrags sprechen wollte. Die haben
auch nicht weiter nachgefragt, haben sich aber meine Personalien notiert und
angekündigt, dass sie auf mich zukommen würden. Die Frage ist jetzt, was sage
ich denen?«
»Wie ist der Stand der Diskussion?«, fragte Stamm.
»Kurz zusammengefasst: Mein Rechtsverdreher ist für die Wahrheit,
aber was soll der auch anderes sagen? Ich fürchte, dass unser Projekt zum
Teufel ist, wenn ich damit herausrücke, dass Nellissen Stoff liefern sollte, um
Kosteddes Pläne zunichte zu machen. Ja, und unser Wanja hat wie immer keine
Meinung.«
Wanja hatte schon den Mund geöffnet, um zu protestieren, winkte aber
ab und trank einen Schluck Wein.
»Dein Rechtsverdreher meint, dass du gar keine Wahl hast«, sagte
Fischbach lässig. Im Gegensatz zu Keilmeier und
Weitere Kostenlose Bücher