Soljanka (German Edition)
auch mal wegen Rico Fenten nachfragen. Aber nach meiner Erfahrung
kommt über solche offiziellen Kanäle nicht viel heraus. Sie kennen nicht
zufällig bei der Polizei in Waren jemanden, der damals in die Sache involviert
gewesen sein könnte?«
»Ich habe schon ein paar Kontakte zur Polizei. Ob da allerdings
jemand bereit ist, dazu etwas zu sagen – keine Ahnung. Aber nachfragen kostet
ja nichts. Es würde mich natürlich auch interessieren.«
»Gut«, sagte Stamm, »es wäre wirklich hilfreich. Ich sehe sonst
nicht, wie wir weiterkommen sollen. Sie melden sich, wenn Sie was hören?! Ach
so, Erika Dembski hat den Wunsch geäußert, Angela zu sehen. Was halten Sie
davon?«
»Im Moment nichts. Warten wir ab, wie sich die Dinge entwickeln.
Sollten wir etwas herausfinden, können wir immer noch weitersehen.«
Stamm lehnte sich zurück, schloss die Augen und ließ das Gespräch
mit Dr. Silvia Terlinden noch einmal Revue passieren. Nach ein paar
Minuten rückte er wieder an seinen Schreibtisch heran, sah seine Notizen durch
und griff zum Telefonhörer, um die Pressestaatsanwältin in Neubrandenburg
anzurufen.
»Eichhorn.«
»Hans Stamm vom Magazin, guten Morgen. Frau Eichhorn, ich hatte
letzte Woche angerufen wegen zwei Ermittlungsverfahren in den neunziger Jahren
gegen Ulrich Dembski aus Waren. Einmal sexueller Missbrauch seiner Tochter, und
dann die Abwicklung eines Mastbetriebs in Neustrelitz. Hatten Sie schon Zeit
nachzuschauen?«
»Ah ja, ich erinnere mich, warten Sie, wo habe ich die Sachen? Einen
Augenblick bitte.« Nach ein paar Sekunden war sie wieder dran. »So, da haben
wir’s. Also ich habe beide Akten gefunden und kann Ihnen sagen, dass die
Verfahren im Jahr 2001 eingestellt worden sind.«
»Okay«, sagte Stamm gedehnt. »Ich nehme an, weil der Verdächtige
gestorben ist?«
»Genau«, sagte Frau Eichhorn fröhlich.
»Okay«, presste Stamm hervor. »Das wäre ja nicht weiter
überraschend. Können Sie mir vielleicht auch etwas zum Stand der Ermittlungen
zum Zeitpunkt der Einstellung sagen?«
»Tut mir leid, dazu bin ich nicht befugt.«
»Mein Gott, Frau Eichhorn, das ist aber dünn. Was soll ich damit
anfangen? Können Sie mir nicht wenigstens sagen, ob die Verfahren auch
eingestellt worden wären, wenn Dembski nicht gestorben wäre?«
»Tut mir leid«, wiederholte sich die Staatsanwältin. »Das wäre pure
Spekulation. Man weiß ja nicht, ob sich noch etwas ergeben hätte. Ich kann
Ihnen vielleicht so viel sagen, dass die Beweislage seinerzeit reichlich dünn war.
In beiden Fällen. Warten Sie, ich sehe hier gerade, dass die Ermittlungen wegen
des Mastbetriebs sogar früher eingestellt wurden. ’97, das dürfte der Zeitpunkt
sein, als die Verjährung eingetreten ist. Und der sexuelle Missbrauch, ja, da
haben sich bis zum Zeitpunkt der Einstellung wegen des Todes des Verdächtigen
keine Anhaltspunkte ergeben, die das psychiatrische Gutachten, das Grundlage
der Anzeige war, gestützt hätten.«
»Verstehe«, murmelte Stamm, »vielen Dank für Ihre Mühe, Frau
Eichhorn. Bitte halten Sie mich nicht für aufdringlich, aber darf ich Sie um
eine weitere klitzekleine Recherche bitten?«
»Dafür sind wir ja wohl da«, seufzte Frau Eichhorn.
»Es geht um einen Selbstmord in Waren im Jahr 1991. Ein junger Mann
namens Rico Fenten. Es gibt doch in solchen Fällen auch eine Akte?«
»Bei jedem unnatürlichen Todesfall«, bestätigte sie. »Auch wenn die
Ermittlungen wegen der Eindeutigkeit der Situation sofort eingestellt werden.«
»Also, wie gesagt, dieser Selbstmord würde mich noch interessieren
und besonders, ob es irgendeinen Zusammenhang zu einer Vergewaltigung kurz
zuvor in Waren gegeben hat.«
»Ich schau mal, ob ich etwas finde. Fenten war der Name?«
»Genau.« Stamm buchstabierte den Namen und kündigte an, dass er sich
am nächsten Tag melden würde.
Um zwölf Uhr dreißig betrat Stamm den trutzigen Ziegelbau am
Jürgensplatz, in dem das Polizeipräsidium der Landeshauptstadt untergebracht
war. Der Beamte an der Pforte rief bei Korn an und beschrieb Stamm anschließend
den Weg zu dessen Büro.
Kriminalhauptkommissar Walter Korn wirkte mit den unübersehbaren
schwarzen Rändern unter den Augen etwas abgespannt, aber das allmählich
ergrauende Haar war akkurat gescheitelt, und sein hellblaues Hemd sah aus, als
habe es soeben den Bügeltisch verlassen. Auf eine Krawatte hatte er verzichtet,
doch Stamm zweifelte keine Sekunde daran, dass der aktuelle Dresscode genau
dies erforderte. Mit
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