Soljanka (German Edition)
vier.
»Ich wollte erst einen Testdurchlauf machen, bevor ich es zum
Abendbrot auftische. Aber wenn du schon da bist, kann ich es auch gleich fertig
machen. Dann essen wir wenigstens nicht so spät, und ich muss nicht während der
Tagesschau zum Kotzen runtergehen.«
Stamm strich ihr sanft über den Bauch. »Passt mir gut, musste das
Mittagessen ausfallen lassen. Riecht ein wenig wie Urlaub unter Palmen. Wenn
ich nicht wüsste, dass man Caipirinha nicht in der Pfanne brutzelt … Hat es
einen Namen?« Er deutete auf die Pfanne, in der eine Art Schnitzel Limettenduft
verströmte.
»Armer Ritter vietnamesisch.«
»Aha, almel Littel quasi.«
»Wenn du es genau wissen willst: altbackene Brötchen in Fischsoße
mit geschmolzenem braunen Zucker, Ei und Limettensaft aufgeweicht, in
Semmelbröseln und Sesam paniert. Dazu gibt’s noch gedünstete Mango mit
Kokosraspeln bestreut.«
»Welcher Wein passt dazu? Ho Chi Minh Grand Cru?«
»Eine Riesling-Spätlese, könnte ich mir vorstellen«, sagte sie
ernsthaft. »Jacques hat um diese Zeit noch auf. Du kannst dir aber wie ich auch
eine Tasse grünen Tee nehmen. Er ist noch heiß.«
Stamm goss sich aus der Kanne, die auf dem blau-weißen Stövchen
behaglich vor sich hin dampfte, einen großen Becher voll und süßte ihn mit zwei
Teelöffeln Honig. Er trank vorsichtig und verzog das Gesicht, nachdem er sich
mit einem Blick vergewissert hatte, dass Eva voll auf ihre Pfanne konzentriert
war. Als er den Becher halb geleert hatte, stand er vom Küchenstuhl auf.
»Jacques ist ein bisschen weit weg. Aber Riesling Spätlese haben sie
bestimmt auch bei Edeka. Schaff ich das noch?«
Eva wandte sich um und lächelte. »Eine Viertelstunde brauch ich
bestimmt noch. Aber probier’s erst mal im Biosupermarkt. Wenn ich schon Alkohol
trinke, sollte ich mir wenigstens einreden können, dass er gesund ist.«
Stamm machte sich auf den Weg. Im Treppenhaus lief er dem
Hauseigentümer Günter Cordes in die Arme, einem untersetzten Endfünfziger, dem
jahrzehntelanger Altbiergenuss die Gesichtsporen weit geöffnet hatte.
»Hallo, Herr Cordes«, begrüßte Stamm ihn jovial. »Wollten Sie zu
uns?«
»Nein, nein, ich wollte zu Schumanns. Ich bin gerade die
Jahresverbrauchsabrechnung am machen. Da ist noch was unklar bei denen. Wissen
Sie, ob die da sind?«
»Keine Ahnung, hab nichts gehört. Aber von denen hört man ja nie
was. Wie sieht’s denn bei uns aus?«
»Nee, bei Ihnen ist alles so weit klar. Na, da will ich mal gucken,
ob ich die Schumanns erwische.«
»Viel Glück«, sagte Stamm leichthin und sprang die Stufen hinunter.
Dann fiel ihm etwas ein, er blieb stehen und drehte sich um. »Ach, Herr Cordes,
eine Frage: Sie haben nicht zufällig die Tage einen Fremden im Haus beobachtet,
der sich an unserer Tür zu schaffen gemacht hat?«
»Nee, wieso?«, fragte Cordes. Die Spannung stand ihm ins Gesicht
geschrieben.
Stamm stieg ein paar Stufen wieder hoch und blieb direkt vor Cordes
stehen. »Kann ich mich drauf verlassen, dass Sie’s für sich behalten?«
Der Hauseigentümer nickte eifrig. »Sicher.«
»Meine Frau kriegt so ätzende Briefe von so ’nem bekloppten
Verehrer. Also so richtig ätzend. Ich hab da schon ’nen Detektiv drangesetzt.
Ich weiß noch nicht, wie der ins Haus kommt. Manchmal wirft der die auch in den
Briefkasten. Wenn ich den erwische, dann möcht ich nicht in seiner Haut
stecken. Ist eigentlich auch nur eine Frage der Zeit, bis wir den haben.
Vielleicht können Sie ja auch mal die Augen aufhalten und mir Bescheid geben,
wenn Ihnen was auffällt …?«
»Ja nee, klar kann ich das machen. Also bisher wüsst ich jetzt
nichts, aber … Dat is ja nicht schön, was Sie da sagen.«
»Nee, isses nicht. Aber wie gesagt, wir kriegen den Arsch schon.
Wenn Sie mithelfen, vielleicht noch schneller. Passen Sie auf, ich geb Ihnen
meine Handy-Nummer, da können Sie mich jederzeit anrufen.«
Er holte seinen Notizblock aus der Jackentasche und schrieb die
Nummer auf.
Im Biosupermarkt am Aachener Platz erstand Stamm eine ökologisch
ausgebaute, »feinherbe« Riesling-Spätlese aus der Pfalz und ein Stück
Blauschimmelkäse für insgesamt vierzehn Euro achtzig und war wieder zurück, als
Eva gerade den Tisch deckte. In den zehn Minuten, die er durch die Kälte
zurückgelaufen war, hatte der Wein schon fast eine trinkfähige Temperatur
angenommen. Stamm steckte ihn noch schnell in den Tiefkühlschrank, bis Eva mit
dem Brutzeln fertig war.
Das Glas vorweg schmeckte ganz
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