Soljanka (German Edition)
Es gab auch eine
entsprechende Anweisung des Landrates. Die Frage war dann, wo setzen wir an.
Wir haben angefangen, die Schausteller zu befragen. Hatte zwei Vorteile. Wir
wussten, dass sie die ganze Zeit auf dem Fest waren. Und sie kamen nicht aus
Waren, sie wussten folglich auch nicht, wer Angela war, wodurch die Diskretion
gewissermaßen gewahrt blieb. Wir haben natürlich auch nicht gesagt, warum wir
fragen. Richtige Kärrnerarbeit. Aber durchaus erfolgreich. Drei, vier
Schausteller erkannten Angela, und zwei von ihnen erinnerten sich an einen
Mann, mit dem sie zusammen war. Der Besitzer eines Bierstandes sagte aus, dass
er ihnen einige Getränke ausgeschenkt hatte. Angela wollte wohl immer Cola
haben, aber der Mann war schon ziemlich betrunken und nötigte ihr ein paar
Gläser Bier auf. Er soll ihr auch immer wieder auf die Pelle gerückt sein. Der
Betreiber des Autoscooters bestätigte die Beobachtung. Beide sagten, es sei
eine durchaus typische Situation für solche Feste gewesen. Ein angetrunkener
Mann, der Annäherungsversuche macht, und ein junges Mädchen, das sich ziert,
aber dabei lacht. Sie hatten beide den Eindruck, dass Angela den Mann kennt und
dass sie wohl deshalb nicht allzu verängstigt gewirkt habe.«
»Na, dann ist ja alles in Ordnung«, entfuhr es Eva. »Sie kannte
ihren Vergewaltiger, dann ist es ja halb so schlimm.«
März zuckte die Schultern. »In diese Richtung gingen die Aussagen.
Aber wir hatten immerhin ziemlich genaue Personenbeschreibungen. Sie passten
auf van Wateren, wie wir sehr schnell nach einem Gespräch mit Angelas
Schwester, die ja auch auf dem Fest war, herausfanden.«
»Konnten Sie Angela selbst befragen?«, fragte Stamm.
»Leider nicht. Sie war nicht vernehmungsfähig. Sonst wäre
wahrscheinlich alles einfach gewesen. Aber sie wurde regelrecht abgeschirmt.
Und über das ärztliche Verbot konnten wir uns nicht hinwegsetzen. Wir haben uns
dann van Wateren vorgeknöpft, aber da sind wir nicht weitergekommen. Er war
schließlich Jurist und wusste sehr genau, was er sagen konnte und was nicht. Er
räumte ein, dass er auf dem Fest mit Angela zusammen war. Sie hätten viel Spaß
gehabt, aber irgendwann hätte er sie aus den Augen verloren. Tja, und da
standen wir also.«
»Was Sie da sagen, passt zu dem, was mir Frau Dembski gesagt hat«,
sagte Stamm. »Van Wateren muss allgemein unangenehm geworden sein, wenn er
getrunken hatte.«
März nickte. »Auf diesem Stand waren wir angekommen, als plötzlich
ein neuer Zeuge auftauchte. Ein gewisser Josef Müller.«
Stamm zog die Augenbrauen hoch.
»Kennen Sie ihn?«, fragte März.
»Nein«, erwiderte Stamm, während er den Namen notierte.
»Tja, und dessen Aussage hat alles über den Haufen geworfen, was wir
bis dahin hatten. Er gab an, dass er Angela gesehen habe, wie sie sich auf den
Heimweg gemacht hat. Und bei ihr sei Rico Fenten gewesen.«
»Augenblick«, unterbrach Eva ihn. »Woher wusste dieser Müller von
den Ermittlungen? Ich meine nur wegen der Diskretion.«
März lächelte fein. »Gute Frage. Haben wir uns auch gestellt. Und
ihm natürlich auch. Er sagte, er habe es von einem Schausteller erfahren. Aber
wir waren ein wenig skeptisch. Einige meiner Kollegen, die aus Waren stammen,
wussten, dass Müller ein alter Freund von Ulrich Dembski war. Das heißt, Freund
ist wohl nicht ganz das richtige Wort. Wasserträger wäre wohl richtiger. Sie
kennen das sicher aus dem Fußball. Was Schwarzenbeck für Beckenbauer gemacht
hat.«
»Der Mann fürs Grobe«, sagte Stamm.
»Ach, ob fürs Grobe, weiß ich gar nicht. Sagen wir, er hat Aufgaben
für ihn erledigt, eher niedere Arbeiten.« Er schien immer noch nicht zufrieden
mit seiner Beschreibung. »Obwohl, das vermittelt auch wieder ein falsches Bild.
Also, ein tumber Klotz war Müller sicher nicht. Vor der Wende war er auch bei
der KoKo, da haben sie weiß Gott nicht jeden genommen. Danach schlug er sich
als Versicherungsvertreter durch. Es gab also gute Gründe, seine Aussage
gründlich zu prüfen. Aber ich muss sagen, er hat die Probe bestanden. Dass er
Dembski kannte, hat seine Glaubwürdigkeit eher noch erhöht. Damit hatte er eine
plausible Erklärung, warum ihm Angela überhaupt aufgefallen war. Es war
jedenfalls klar, dass wir uns mit Rico Fenten unterhalten mussten. Und der hat
sich bei Weitem nicht so gut verkauft wie van Wateren. Er war spürbar nervös,
und bald hatte er sich in erste Widersprüche verwickelt. Er hat uns zum
Beispiel erzählt, dass er zur
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