Soljanka (German Edition)
schließlich nach dem Tod von Rico Fenten raus aus der Vergewaltigungssache.«
Er machte eine Kunstpause. »Wussten Sie übrigens, dass van Wateren verschwunden
ist?«
Stamm sah ihn überrascht an. »Nein.«
März lächelte wieder. »Ich habe ein, zwei Jahre später meine
Kompetenzen überschritten und die Kollegen in Düsseldorf kontaktiert. Ich
meine, wenn van Wateren wirklich Angela vergewaltigt hat, dann liegt vielleicht
eine Persönlichkeitsstörung vor, die ihn grundsätzlich gefährlich macht. Ich
wollte wissen, ob inzwischen noch etwas vorgefallen ist. Tja, da war wohl mal
ein Vorfall in der Richtung, es gab aber keinen van Wateren mehr. Er war weg
von der Bildfläche.«
»Ach«, machte Stamm. »Was glauben Sie, was passiert ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist er geflüchtet, weil er
irgendwas auf dem Kerbholz hatte. Keiner weiß wohin stimmt auch nicht ganz. Er
hatte einen Flug nach Bangkok gebucht, eines seiner letzten Lebenszeichen.
Gemäß den Akten der Fluggesellschaft hat er den Flug auch angetreten, den
Rückflug allerdings nicht.«
»Na, das ist ja wieder zu schön, um wahr zu sein«, entfuhr es Stamm.
»Genau mein Gedanke, als ich davon hörte«, erwiderte März. »Würde
mich nicht wundern, wenn er in einem feuchten Loch am Rhein vermodert. Für
einen Strategen wie Dembski muss ein Psychopath wie van Wateren – immer
vorausgesetzt, er war es – ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko gewesen
sein.«
»Sind Sie sicher, dass van Wateren nicht zwischenzeitlich wieder
zurückgekehrt ist aus Bangkok?«, fragte Stamm.
»Kann ich natürlich nicht. Ich habe mich seitdem nicht mehr um die
Sache gekümmert, und das ist ja über fünfzehn Jahre her.«
»Er könnte trotzdem nach Bangkok geflogen sein. Weil er vor Dembski
flüchten wollte. Das würde auch erklären, warum er den Rückflug nicht
angetreten hat.«
März zuckte die Schultern und trank seinen Tee aus.
Stamm überflog nachdenklich seine Notizen. Dann fragte er: »Diesen
Josef Müller, findet man den noch hier in der Gegend?«
»Ich habe keine Ahnung, ob er wieder da ist.«
Stamm hob die Augenbrauen. »Was soll das heißen? Ist er etwa auch
verschwunden?«
»Fast zur gleichen Zeit wie van Wateren. War reiner Zufall, dass ich
davon erfahren habe. Der Fall war ja lange abgeschlossen. Aber ein Kollege
wohnte bei ihm in der Nachbarschaft. Eines Tages war er weg, keiner wusste
wohin. Nicht einmal seine Frau. Sagte sie jedenfalls.«
»Na, das wird ja immer schöner«, sagte Stamm kopfschüttelnd. »Gibt
es in dieser Geschichte überhaupt noch jemanden, der nicht verschwunden ist?«
»Ja, es sieht nach einer ziemlichen Räuberpistole aus«, bestätigte
März. »Aber wie gesagt, ich habe mich nicht mehr darum gekümmert. Kann sein,
dass Müller einfach seine Frau verlassen hat. Frau Dembski ist ja auch
weggezogen. Die haben Sie ja offenbar schnell gefunden.«
»Na ja klar, eine Erika Dembski zu suchen, ist heutzutage über das
Internet keine Kunst. Aber ich möchte nicht wissen, wie viele Josef Müllers es
in Deutschland gibt. Hat er Kinder?«
»Zwei, wenn ich mich recht erinnere. Einen Sohn und eine Tochter.
Aber die waren schon damals erwachsen und außer Haus.«
Stamm lehnte sich zurück und dachte eine Weile nach.
»Tja«, seufzte er schließlich. »Schlimme Geschichte. Ich sehe nur
leider nicht, wie man aus der Sackgasse kommen könnte.« Nach einer kurzen Pause
fragte er März: »Wo würden Sie ansetzen, wenn Sie noch im Dienst wären und aus
welchen Gründen auch immer das Verfahren wieder aufnehmen müssten?«
»Josef Müller wäre sicherlich kein schlechter Ansatz. Er müsste
inzwischen über siebzig sein. Vielleicht ist er ja geläutert … Oder van
Wateren.«
»Sehr vage«, murrte Stamm. »Wenn Müller nicht zufällig zurückgekehrt
ist und im Telefonbuch steht, sehe ich nicht, wie ich ihn finden könnte. Ich
kann schließlich nicht auf den polizeilichen Ermittlungsapparat zurückgreifen.
Es sei denn …« Er sah März fragend an.
»Tut mir leid«, sagte dieser bestimmt. »Dass ich Ihnen das alles
erzählt habe, ist eines. Aber ich werde mich bestimmt nicht selbst einschalten.
Ich komme in Teufels Küche.«
»Kann ich absolut verstehen«, beeilte sich Stamm zu sagen. »Ich weiß
Ihre Offenheit sehr zu schätzen. Na gut. Ich kann mein Glück ja mal versuchen.
Lebt seine Frau noch in Waren?«
»Glaube ich nicht. Ich meine mich zu erinnern, dass sie ein paar
Monate nach ihrem Mann auch weggezogen ist, aber sicher
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