Soljanka (German Edition)
Die Bekannte von van Wateren war nicht darunter.
Beide waren nach diesem Abend wie vom Erdboden verschluckt.«
»Vielleicht sind sie gemeinsam abgehauen, und er hat sie in Thailand
umgebracht.«
Korn sah Stamm stirnrunzelnd an. »Gewagte Theorie. Und
wahrscheinlich falsch. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass van Wateren in
Begleitung nach Thailand geflogen ist.«
Stamm dachte eine Weile nach. »Ist das nicht irgendwie komisch, dass
Ihre Kollegen so gar keine Spur von der Frau gefunden haben?«, sinnierte er.
»Ich meine, wenn man in die Kneipe geht, dann geht man doch meistens nicht
allein. Oder man kennt dort Leute …«
»Sie war der Kellnerin völlig unbekannt, im Gegensatz übrigens zu
van Wateren, der so was wie ein Stammgast war. Und sie ist nie wieder
aufgetaucht.«
»Hat van Wateren sie denn in der Kneipe aufgegabelt?«
»Keine Ahnung. Die Kellnerin konnte sich nicht erinnern, wie sie
reingekommen sind, ob allein oder zusammen. Ist auch eine ziemlich
unübersichtliche Kneipe.«
»Welche eigentlich?«
»Woyaya. Komischer Name.«
»Ah«, machte Stamm. »Kenn ich. In der Tat, ein ziemlich dunkler
Laden. An der Bachstraße, oder?«
Korn zuckte die Schultern. Stamm seufzte.
»Wie sah sie überhaupt aus? Ich meine die Frau.«
»Die Kollegen haben mit Hilfe der Kellnerin ein Phantombild
erstellen lassen. Nichts für die Presse, dafür waren die Anhaltspunkte zu dünn,
dass sie was mit van Waterens Verschwinden zu tun hat. Aber sie sind in der
Nachbarschaft herumgezogen und haben es in Geschäften und Kneipen herumgezeigt.
Null Erfolg. Wundert mich ehrlich gesagt nicht, wenn ich mir das Bild so ansehe …« Korn zog ein gefaltetes Blatt Papier aus der Sakkotasche und reichte es
Stamm.
Stamm betrachtete die Zeichnung. Zu sehen war – nun ja, eine junge
Frau. Ganz hübsch, aber ohne besondere Merkmale. Ein glattes Gesicht ohne
Eigenschaften. Dunkle, halblange Haare. Es kam ihm ein wenig bekannt vor, aber
wahrscheinlich nur deshalb, weil er in seinem Leben schon Hunderte Frauen
gesehen hatte, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bild hatten. Wenn er die
Anweisungen zu einem Phantombild gegeben hätte, wäre es wahrscheinlich genauso
ausdruckslos geworden. Stamm wusste, dass er keinen besonderen Blick für
Gesichter hatte. Er wäre ein lausiger Zeuge. Und die Kellnerin war
offensichtlich eine Wesensverwandte. Er lächelte resigniert.
»Kein Wunder«, murmelte er. »Das könnte auch meine Freundin sein.
Oder jemand ganz anderes.«
Korn zuckte erneut die Schultern. »Das scheint mir auch das Problem
gewesen zu sein. Wir können immerhin festhalten, dass sie nicht regelmäßig im
Woyaya verkehrt ist. Dann hätte sich die Kellnerin wohl doch an sie erinnert.
Ihre Beschreibung war nicht wirklich hilfreich. Das Mädchen habe einen
komischen Blick gehabt. Außerdem sei sie ungewöhnlich ernst gewesen. Sie habe
wenig gelacht oder auch nur gelächelt. Für einen Flirt etwas ungewöhnlich.
Bloß: Was fängt man damit an?«
»Tja, nix«, sagte Stamm. »Sie war anscheinend keine Ulknudel. Nicht
einmal auszuschließen, dass sie eine Kollegin von van Wateren war und sie über
Baulasten in Grundbucheinträgen diskutiert haben.«
Der Kommissar lächelte. »Unwahrscheinlich. Nach Angaben der
Kellnerin war sie Anfang zwanzig.«
»Eine Jurastudentin?«
»Wir werden’s wohl nie erfahren.« Er sah auf die Uhr und drehte sich
nach der Kellnerin um. »Ich muss los.«
»Was macht eigentlich der Mordfall Nellissen?«, fragte Stamm.
»Dobermann!«, knurrte Korn.
»Kommen Sie, Herr Korn, Sie könnten mir wenigstens sagen, ob dieser
Passat was ergeben hat. War immerhin mein Tipp.«
Korn musterte Stamm. »Es gibt vier mit den Kennzeichenbuchstaben WR in Düsseldorf. Wir überprüfen sie gerade. Und mehr
gibt’s nicht von mir«, fügte er schnell hinzu, als Stamm zu einer Erwiderung
anhob.
»Und der Brief unseres perversen Freundes?«
Korn schüttelte den Kopf. »Wir haben ja Ihre Fingerabdrücke noch
nicht. Aber im Moment würde das auch nicht viel bringen. Es ist jedenfalls
keiner dabei, den wir in unserer Datensammlung haben. Solange wir keinen
Verdächtigen zum Vergleich haben, kommen wir damit nicht weiter.«
Der Kommissar stand auf. Stamm lehnte sich zurück und wedelte mit
dem Phantombild.
»Können Sie behalten«, sagte Korn. »Ich hab’s im System und brauch
es sowieso nicht.«
Als Stamm in die Redaktion zurückkehrte, studierte Hanne
Lohmeyer gerade seinen Text von der Demo-Auflösung in der Uni.
»Gibt’s
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