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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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Oscar Wilde zu zitieren: »Ehen werden im Himmel geschieden!«
    Von dem moralischen Druck, der auf Ehe und Familie noch immer lastet, erzählt der Witz von dem Ehepaar, beide neunzig Jahre alt, das zum Anwalt kommt, um sich scheiden zu lassen.
     
    Sagt der Anwalt: »Was? Ihr habt gewartet, bis ihr neunzig seid? Warum wollt ihr euch denn jetzt um Gottes willen noch scheiden lassen?«
Darauf die Antwort der beiden: »Wir wollten warten, bis unsere Kinder gestorben sind.«
     
    Hier findet der Satz »… bis dass der Tod euch scheidet« ein eher komisches Echo.
    Die berechnende Niedertracht – oder positiv ausgedrückt: der gesunde Egoismus –, oder neutral formuliert: das ökonomische Zweckbündnis Ehe, findet in der folgenden Geschichte eine pointierte Entschlüsselung:
     
    Ein 70 -Jähriger fragt voll Bewunderung und Neid seinen gleichaltrigen Freund, wie es ihm denngelungen sei, eine so reizende, bezaubernde 25 -jährige Schöne als seine Frau zu gewinnen.
Die Antwort: »Indem ich ihr vorgelogen habe, ich sei schon neunzig.«
     
    Auch über Johannes Heesters und seine Frau Simone, die durch 45 Jahre getrennt und als ewiges Paar vereint sind, gibt es einen einschlägigen Witz, sozusagen »sub specie aeternitatis« (unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit), und der geht so:
     
    Es klingelt beim Ehepaar Heesters. Er öffnet die Tür. Der Tod steht davor. Heesters sieht den Tod, dreht sich um und ruft in die Wohnung: »Simone, es ist für dich!«
     
    Einen Vorläufer dieser Geschichte, ohne die Methusalem-Komponente, hat schon Freud überliefert.
     
    Sagt einer der Ehepartner (wahrscheinlich die Frau):
»Wenn einer von uns beiden stirbt, ziehe ich nach Paris.«
     
    Es ist der gesunde Optimismus, der hier in der Zweierbeziehung herrscht. Im Lachen, das der Witz auslöst, lockert sich für einen Augenblick das Korsett gesellschaftlicher Zwänge und moralischer Übereinkünfte. Der Witz wird zum lachenden Stoßseufzer, zum Blitzableiter. Eike Christian Hirsch (der im NDR jahrelang Witze vortrug und analysierte) hat sein Buch über Witze treffend Der Witzableiter genannt.
    Was leitet der Witz ab? Und was lässt sich am Witz ableiten? Dass Witze im Grunde meist tieftraurige Zustände dokumentieren, lässt sich aus nichts leichter schließen als daraus, dass politische Witze geradezu zwanghaft entstehen, je größer der politische Druck ist.
    Bert Brecht schreibt in seinen Flüchtlingsgesprächen : »In einem Land leben, wo es keinen Humor gibt, ist unerträglich, aber noch unerträglicher ist es in einem Land, wo man Humor braucht.« Das ist eine Variante der Brecht’schen Einsicht aus sogenannten heroischen Zeiten, sprich den Zeiten des Zweiten Weltkriegs, die sich in folgendem Dialog ausdrückt. »Unglücklich das Land, das keine Helden hat.« Mit der Antwort: »Unglücklich das Land, das Helden braucht.«
    In politisch unfreien Systemen gedeihen die waghalsigsten und besten Witze, weil der Witzeerzähler Kopf und Kragen riskiert und dem Witzezuhörer deutlich macht, dass es in dem System, in dem er lebt, buchstäblich um Kopf und Kragen geht. Auch Gottesstaaten auf Erden sind Diktaturen, die den Witz mit Feuer und Schwert bekämpfen, der deshalb geradezu zwangsläufig in rigorosen religiösen Systemen entsteht. Dass man dem dänischen Mohammed-Karikaturisten einen Preis für »Pressefreiheit« verlieh, zeigt, wie ernst so etwas zu nehmen ist.
    Witze erzeugen Solidarität unter Gleichgesinnten, ein Augenzwinkern, ein Einverständnis zwischen Unterdrückten. Wir befreien uns, während wir sonst nur ohnmächtig die Faust in der Tasche zu ballen wagen. Die Wahrheit kommt im Witz ans Licht, verborgen im Lachen zwar, aber in einem Funken, der auf andere überspringt.
    Als Beispiele für religiöse Witze hier nur zwei, die beim Kruzifix-Streit in Schulen und der darauffolgenden Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts aufkamen. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man Kopf und Kragen, zumindest Ansehen und Karriere im christlichen Abendland riskiert, hätte man sie erzählt. Dabei zielen sie gar nicht auf die Religion, sondern auf die Vermarktung von etwas Heiligem durch das Profane. Der erste:
     
    Warum breitet Christus am Kreuz seine Arme aus?
Antwort: Weil er zu den beiden Schächern sagt: »Kommt näher, kommt näher, sonst passen wir drei nicht zusammen auf ein Foto.«
     
    Dieser Witz profanisiert. Aus Ostern werden die Osterfeierlichkeiten.
    Der zweite riskiert einen Freud’schen Kurzschluss, als

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