Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
werden (in der »Arabellion« in Ägypten und Tunis wurde die Kleptokratie allerdings witzlos entfernt). Auch Helmut Kohl musste darunter leiden und wurde, nachdem die Zeitschrift Titanic ihm den Spitznamen »Birne« verliehen hatte – eine Anspielung auf den »Bürgerkönig« Louis-Philippe –, wegen seines Englisch verspottet. Er soll der Eisernen Lady Margaret Thatcher das »Du« mit folgenden Worten angeboten haben: »I’m Helmut. You may say you to me!« Allerdings hat er später die heftige Gegnerin der deutschen Wiedervereinigung genial ausgetrickst – darüber gibt es keine Witze. Warum auch!
Doch zurück zu Breschnew, zurück in die Agonie der Sowjetunion in der Zeit der Vergreisung. Auch hier ist wohl niemand für die Witze über den sich nur noch wie eine Aufziehpuppe bewegenden Generalsekretär eingesperrt worden.
1974 , zu Beginn der Ära der Stagnation, erlitt Breschnew einen Schlaganfall, 1976 einen weiteren. Dazu kursierte folgende Verlautbarung:
Mit großem Bedauern gibt die Regierung der UdSSR bekannt, dass der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und Präsident des Obersten Sowjets, Genosse Leonid Iljitsch Breschnew, nach langer Krankheit und ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, seine Regierungspflichten wieder aufgenommen hat.
Dieser Witz ist gleichzeitig ein Beispiel für die verkalkte und alterserstarrte Sprache der sowjetischen Staatsbürokratie, das, was laut Orwell mit dem sogenannten »Double-Speech«, dem Doppel-Sprech, begonnen hatte. Auch dieser Witz überlebte nicht nur Breschnew, sondern auch die, die ihn rissen.
Für politisch erstarrte Systeme gilt auch, dass deren höchste Repräsentanten hinter bunten Uniformen mit gewaltigen Ordenreihen auf der Brust auftreten. Es ist so, als gäbe ihnen die Uniform den letzten Halt und ersetze mit ihrem Talmi die fehlende Ausstrahlung.
Die Familie Breschnew isst zu Abend, als das ganze Haus plötzlich wie unter einem Erdbeben erzittert.
»Oh Gott, was ist das?«, fragt erschrocken Tochter Galina.
»Keine Sorge«, sagt ihre Mutter, »das Jackett deines Vaters ist vom Stuhl gefallen.«
Das hätte Göring, dem Caudillo, Gaddafi und jedem südamerikanischen Staatsstreich-Obristen auch passieren können.
DER FALL GUTTENBERG
Der jüngste Fall (wir schreiben Sommer 2011 ) eines mit Witzen übergossenen, ja überkübelten Politikers ist der von » KT «, vom fränkischen Freiherrn Karl-Theodor zu Guttenberg. Viel kommt da zusammen: das Gefälle »Wer sich selbst erhöhet, wird erniedrigt werden« oder »Hochmut kommt vor dem Fall« wie auch »Wer hoch hinauswill, kann auch tief hinunterstürzen«.Der Witz funktioniert da wie die antike Tragödie, wie das Shakespeare’sche Königsdrama.
Der CSU -Politiker aus Oberfranken, wo die Burg seiner Familie über der Landschaft thront, stieg steil wie ein Komet auf – umso tiefer musste der Sturz nach einem Fehltritt wirken, der das Missverhältnis zwischen Sein und Schein, die Kluft zwischen Anspruch und Realität deutlich machte. Er wurde zu einem »Witz«-Fall, der maßlose Übertreibung zum Thema hat.
Guttenberg stürmte zuerst himmelan. Unter die grauen Gestalten und schrillen Fehlbesetzungen in Angela Merkels Kabinett brachte er adeligen, schier königlichen Glanz, Unabhängigkeit, Freiheit des Geistes, er bewegte sich auf dem politischen Parkett elegant und modisch schick, hatte eine hochgeborene schöne Ehefrau und reizende Kinder. Neben seinem hochadeligen Namen (er hat allein zehn Vornamen: Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester) konnte er noch mit dem Dr. jur. summa cum laude aufwarten. Und an diesem Punkt war er verwundbar. Und hier wurde er erlegt wie Siegfried von Hagen. Hier offenbarte er seine Achillesferse. Alles schien auf einmal abgekupfert, geklaut. Das »summa cum laude« blamierte die junge Uni Bayreuth als käuflich, von Glanz und Fördertum bestechlich, die Verteidigung betrieb er erst vom hohen Ross, dann mit immer scheppernderem kläglichem Pathos und übte dann einen unheimlich starken Abgang, der ihm, trotz Zapfenstreich mit Jazz, im Grunde missriet. Alles Verleumdung, mir kann keiner. Und weg in den Abgrund (der Blamage, der Lächerlichkeit).
Kann er je wieder auftauchen? Witze kümmern sich einen Dreck darum. Sie zeigen, wie es war, wie es ist. Sie sind wie eine Gegendarstellung zum Verhalten des Münchhausen-Barons und seiner Verlautbarungen. Der Witz bohrt gerne in Wunden, da
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