Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
verraten.«
Sunday fuhr mit Bond in Richtung Süden, wo der Hafen lag, aus der Stadt und brachte ihn zu einem von hohen Mauern umgebenen Gebäudekomplex. Er bestand aus drei Privathäusern, die durch überdachte Gänge miteinander verbunden waren. Als Sunday den Wagen parkte, kam er Bond verängstigt und merkwürdig besorgt vor.
»Ich warte hier auf Sie, Mr Bond.«
Er stieg aus und wurde am Eingang zum Haupthaus von einem jungen Mann mit Brille und weißem Kittel empfangen.
»Mr Bond? Ich bin Dr. Masind. Bitte folgen Sie mir.«
Ein Inder oder Pakistaner, vermutete Bond, der fügsam hinter dem jungen Mann herging. Das Wohnhaus war offensichtlich in eine Art Klinik umgewandelt worden: peinlich sauber, hell ausgeleuchtet, dazu Krankenschwestern, die geschäftig hin und her eilten. Sie betraten einen Gang, der zu einem anderen Haus führte, es wurde von zwei bewaffneten Soldaten bewacht, außerdem fiel Bond der hohe, dünne Funkmast auf, der das Gebäude überragte.
Sie stiegen in das obere Stockwerk und Bond wurde gebeten, im Flur zu warten. Nach etwa fünf Minuten tauchte ein junger Offizier auf. Er war schlank, schick und gepflegt, sein dunkelgrüner Kampfanzug akkurat gebügelt. Mit seinem Menjoubärtchen sah er aus wie ein Filmstar aus den 1920er Jahren.
»Oberst Denga«, stellte er sich mit kaum merklichem Akzent vor. »Ich möchte Ihnen danken für den großen Dienst, den Sie uns heute erwiesen haben.«
»Im Grunde war es bloß eine spontane Eingebung. Wie Sie wissen, bin ich nur ein APL -Journalist – aber die Situation verlangte nun mal nach einer beherzten Vorgehensweise«, sagte Bond. Ihm war bewusst, dass seine Zurückhaltung unter Umständen kontraproduktiv wirkte, und er bemerkte Dengas vielsagenden Blick.
»Nicht alle Journalisten können aufgrund einer spontanen Eingebung eine Schlacht eröffnen und dann noch ihren Ausgang bestimmen … «
Bond lächelte. »Das sollte nicht heißen, dass ich unerfahren bin. Ich bin älter als Sie, Oberst. Im Zweiten Weltkrieg habe ich bei britischen Kommandos gedient. Da lernt man eine Menge, und zwar schnell.«
»Tja, egal woher Sie Ihre Sachkenntnis beziehen: Wir sind Ihnen zutiefst dankbar. Bitte – nach Ihnen.«
Oberst Denga öffnete eine Tür, und Bond trat in ein dunkles Zimmer, in dem nur eine einzige Lampe brannte. Dort lag ein Mann in einem Krankenhausbett. An seinem Hals war ein Tropf mit Kochsalzlösung befestigt. Er war entsetzlich dürr und ausgemergelt, sein Haar schütter und grau. Er winkte Bond heran und sprach ihn mit schwacher Stimme, beinah flüsternd an.
»Mr Bond – ich bin Brigadegeneral Solomon Adeka. Ich wollte mich persönlich bei Ihnen bedanken, für Ihre Bravourleistung am Kololo-Damm.«
Bond starrte ihn verblüfft an und nahm dabei jedes Detail wahr. Adeka war todkrank – seinem verhärmten Gesicht und den leblosen Augen nach zu schließen. Vermutlich eine aggressive Krebsart. Er streckte seine zitternde, knochige Hand aus, und Bond drückte sie flüchtig. Adekas Händedruck war kraftlos.
Der Brigadegeneral gab Oberst Denga – der Bond lautlos ins Zimmer gefolgt war – ein Zeichen. Denga trat an das Bett und zog ein Lederkästchen aus der Tasche.
»Wahrscheinlich werden Sie darüber lachen«, sagte Adeka, »aber ich wollte Ihnen gern ein greifbares Zeichen unserer Dankbarkeit überreichen. Eine Ehrenbezeugung der Republik Dahum.«
Bond nahm das Kästchen von Denga entgegen und öffnete es. Darin lag auf schwarzem Polstersamt ein goldener achtzackiger Stern mit rot-weiß-schwarzem Seidenband.
»Der Goldene Stern von Dahum – unsere höchste militärische Auszeichnung.«
Bond war so überrascht wie seltsam gerührt. »Nun … Ich fühle mich sehr geehrt«, sagte er zögernd. »Sehr geschmeichelt. Aber ich weiß nicht, ob ich das wirklich – «
Adeka begann zu husten, es war ein trockener Husten, der seinen gebrechlichen Körper unter dem Laken vollauf erschütterte.
»Wir sollten gehen«, sagte Denga leise.
»Auf Wiedersehen, Brigadegeneral.« Bond wollte den Abschied nicht endgültig klingen lassen, obwohl er wusste, dass er diesen Mann niemals wiedersehen würde – und seine Mission damit tatsächlich beendet war. Er drehte sich um und ging aus dem Zimmer.
Auf der Rückfahrt nach Port Dunbar saß Bond schweigend da. Es betrübte ihn, dass Adekas Leben ein so jähes Ende gesetzt wurde, zugleich verspürte er ein nagendes Unbehagen, weil man ihn hierhergeschickt hatte, um genau das zu tun – »seine Kreise
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