Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
nachhaltig zu stören«. Das hatte sich von selbst erledigt.
»Ist alles in Ordnung, Sah?«, fragte Sunday vorsichtig, da ihm Bonds düstere Stimmung nicht entgangen war.
»Ja«, sagte Bond. »Ich habe gerade einen Orden bekommen.«
»Gratulation.« Sunday atmete merklich auf. »Wollen Sie vielleicht nach Janjaville fahren? Heute Nacht sind fünf Flüge angekündigt. Zwei sind schon durch.«
»Nein danke. Ich möchte ins Pressezentrum zurück. Nach diesem Tag kann ich noch einen Drink vertragen.«
Im Zentrum steuerte Bond schnurstracks die Bar an und kaufte eine Flasche Whisky. Er hatte sich vorgenommen, in dieser Nacht tief und fest zu schlafen, und er wusste, dass Whisky ein hervorragendes Schlafmittel ist. Von den Journalisten war keiner zu sehen, aber es machte ihm nichts aus, allein zu trinken. Er setzte sich hin und schenkte sich großzügige drei Finger breit ein. In diesem Moment ging die Bartür auf. Herein trat Geoffrey Letham.
16. Ein steinreicher Mann
Alle fünf Vertreter der ausländischen Presse in Port Dunbar erhielten eine Einladung zum Staatsbegräbnis von Brigadegeneral Solomon Adeka, das drei Tage später stattfand. Die Journalisten standen etwas verlegen als lose Gruppe im hinteren Teil des staubigen, mit Unkraut bewachsenen Friedhofs, der zu Port Dunbars bescheidener Kathedrale St Jude’s gehörte, als eine Ehrengarde Adekas Sarg zum Grab trug. Mit Hilfe einer knisternden und knackenden Beschallungsanlage hielt Oberst Denga eine kurze, aber mitreißende Trauerrede. Er würdigte Adekas Vorzüge als Mensch, Patriot und Soldat, bezeichnete ihn als den »ersten Helden von Dahum« und beteuerte, dass sein Freiheitskampf fortgesetzt werde – bei diesen Worten brach die riesige Menschenmenge, die sich vor dem Friedhofstor versammelt hatte, in Jubel und Applaus aus – und er seinem Volk als großes Vorbild und Mutmacher im Gedächtnis bleiben solle.
Ein Ehrenpeloton feuerte mit erhobenen Gewehren eine stotternde sechsschüssige Salve in den dunstig blauen Himmel, während der Sarg ins Grab versenkt wurde.
Bond beobachtete das Ganze mit gemischten Gefühlen, als ihm bewusst wurde, dass Geoffrey Letham sich gerade an ihn heranschlich. Bei ihrer abendlichen Begegnung in der Bar hatten sie nur einen kurzen Gruß getauscht, ohne Händedruck, und Bond hatte sich mit der Flasche Whisky schnellstmöglich in sein Zimmer verzogen. Danach war er Letham erfolgreich aus dem Weg gegangen, indem er Sunday bat, seine Tage mit ausgedehnten offiziellen Besichtigungstouren auszufüllen. Doch jetzt gab es kein Entkommen. Letham stellte sich neben ihn und tupfte sich das hochrote Gesicht mit einem feuchten ultramarinblauen Taschentuch ab.
»Sagen Sie mal, Bond«, flüsterte er ihm ins Ohr, »Breadalbane hat mir erzählt, Sie hätten Adeka getroffen, kurz bevor er starb. Worum ging es eigentlich?«
»Nichts Besonderes.«
»Wie war er so?«
»Etwas angeschlagen.«
»Sehr witzig. Warum wollte er sich mit Ihnen treffen? Es hieß doch immer, er weigere sich, mit der Presse zu reden. Dabei bin ich eigens nach Dahum gekommen, um ihn zu interviewen. Die Mail war bereit, ihm dafür Unsummen zu zahlen.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Bond.
»Wirklich sehr eigenartig.« Letham lächelte boshaft. »Sie sind überhaupt ein sehr eigenartiger Mann, Bond. Trotz Ihres Alters und Ihrer vorgeblichen Berufserfahrung scheint niemand in der Branche von Ihnen gehört zu haben. Darüber sollten wir uns gelegentlich mal unterhalten.«
»Ich rede nicht mit der Presse, Letham, ist Ihnen das bisher nicht zu Ohren gekommen?«
Mit diesen Worten ließ Bond ihn stehen. Er fragte sich, ob Letham ihm eine versteckte Drohung zukommen lassen wollte. Der Mann hatte Sinsikrou nach seiner ersten Begegnung mit Bond verlassen und war nach Abidjan an der Elfenbeinküste geflogen. Dort hatte er sich als Freund und Förderer des »wackeren kleinen Dahums« ausgegeben und Hulbert Linck bezahlt, damit der ihn an Bord einer Super Constellation einfliegen ließ. Zunächst hatte Bond eher gereizt als beunruhigt auf Lethams überraschendes Auftauchen reagiert – mit solchen Dreckskerlen wurde er leicht fertig – , aber jetzt beunruhigte ihn die Tatsache, dass sich in Dahum nach Adekas Tod rein gar nichts verändert hatte. Obwohl die Daily Graphic – Dahums einzige Zeitung – in einer Ausgabe mit Trauerrand von seinem Ableben berichtet hatte, blieb der Kampfgeist von Bevölkerung und Armee entgegen allen Erwartungen ungebrochen. Die
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