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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Griff aus mattem Ebenholz waren kleine Diamanten eingelassen, die wie Perlmutt schimmerten. Er steckte das Messer ein, von leisen Gewissensbissen heimgesucht, weil er sich mit übertriebener Gewalt zur Wehr gesetzt hatte. Ihm wurde bewusst, dass er die geballte Wut, die sich seit Janjaville in ihm angestaut hatte, zum Teil an diesen drei armen Kerlen ausgelassen hatte. Das war seine erste »Kampfhandlung« gewesen, seit er aus dem Kriegsgebiet ausgeflogen wurde. Seine Reaktion war ganz spontan gewesen, und er hatte so rasch wie wirksam Vergeltung geübt. Die Jungen konnten ja nicht wissen, wen sie sich da als Opfer ausgesucht hatten, und auch nicht, welch bitteren Groll dieses potentielle Opfer hegte. Immerhin hatte er sie auf diese Weise womöglich vor einer kriminellen Karriere bewahrt. Das änderte jedoch nichts daran, dass Bond sich an diesen kleinen Gaunern abreagiert und sie für Sünden bestraft hatte, die von anderen begangen worden waren. Ihr Pech … Bond lockerte die rechte Schulter, als er sich dem Hotel näherte – keinerlei Schmerzen – und massierte den Muskel seines verwundeten Oberschenkels. Obwohl er sich körperlich so verausgabt hatte, schien alles in bester Ordnung zu sein. Er heilte wirklich schnell.
    Am nächsten Tag verbrachte Bond einen fruchtlosen Morgen in seinem Alcazar-Büro. Er behielt Milford Plaza im Blick, ohne ein einziges vertrautes Gesicht zu entdecken, und überlegte, ob es für öffentlichkeitsscheue Besucher vielleicht einen Hintereingang gab. Andererseits hatte er beobachtet, dass fast alle, die im Auto vorfuhren, in der Haltebucht abgesetzt wurden, das war offensichtlich das übliche Prozedere.
    Kurz vor der Mittagszeit tauchte sie dann auf. Blessing Ogilvy-Grant trat aus dem Haupteingang von Nr. 1075 und überquerte die Plaza. Bond zoomte sie mit dem Zielfernrohr heran. Sie sah anders aus als früher – sie trug einen beigen Anzug mit weiten Schlaghosen und ihre Haare waren nun zu einem kurzen, buschigen Afro frisiert, ungeölt und naturbelassen. Ganz die junge Politaktivistin. Sie blieb an einem Hotdog-Stand stehen, um Mineralwasser zu kaufen. Bond ergriff die Gelegenheit beim Schopf, stürmte aus seinem Büro und rannte die Treppe hinunter.
    Als er schließlich die Plaza erreichte, glaubte Bond zunächst, er hätte sie verloren, aber dann erblickte er sie auf der Straße, die zur Mall führte. Sie überquerte die Kreuzung an der 7Street, und er folgte ihr vorsichtig, stets auf einen Abstand von knapp fünfzig Metern bedacht, ab und zu wechselte er auch die Straßenseite, um sie parallel zu beschatten. Bevor er sich wieder hinter ihr einreihte, vergewisserte er sich jedes Mal mit einem Blick über die Schulter, dass sie nicht anderweitig verfolgt wurde.
    Ihr Anblick setzte ihn einem Wechselbad der Gefühle aus. Als ihr Gesicht in Großaufnahme in seinem Zielfernrohr erschienen war, hatte ihm die Erinnerung an ihre Schönheit und die Zärtlichkeit, die sie ihm erwiesen hatte, das Herz höher schlagen lassen. Ihr neuer Look fand bei ihm unwillkürlich Anklang – sehr amerikanisch, ganz auf der Höhe der Zeit. Dann fiel ihm ein, wie beiläufig und gefühllos sie auf ihn geschossen hatte, nachdem sie sich Kobus’ Waffe geschnappt und ohne das geringste Anzeichen von Bedauern auf seine Brust gerichtet hatte. Der wohlwollende Blick des Liebenden wich bitterer, begründeter Wut – sie hatte ihn auf raffinierteste Weise hinters Licht geführt, vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an. Als hochprofessionelle Agentin war sie bereit, im Bedarfsfall ihren Körper einzusetzen und sich dem Gegner hinzugeben – und einen gezielten Todesschuss abzugeben. Bond verlangsamte seinen Schritt, um den Abstand zu wahren, vermutlich achtete sie aus reiner Routine auf potentielle Verfolger. Er musste sich mindestens so gewieft verhalten wie sie, wenn nicht gewiefter.
    Ein Leitsatz, der sich immer wieder bewährte, dachte Bond, als er sie ein Restaurant auf der E Street betreten sah, das The Baltimore Crab hieß. Er blieb auf der anderen Straßenseite stehen, beobachtete das Eintreffen weiterer Lunchgäste und fragte sich, mit wem sie wohl verabredet war. Vielleicht war es bloß ein Freund und kein zwielichtiger Geschäftspartner. Sogar Doppelagenten hatten hin und wieder ein Anrecht auf Privatleben.
    Bond steckte sich eine Zigarette an und wägte seine nächsten Schritte ab. Er hatte Africa KIN ausfindig gemacht. Seine ausgeklügelte Überwachungsmethode funktionierte. Niemand wusste, dass er

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