SOLO mit PINK LADY - MIT 16 DIE WELT EROBERT
wurde es dann ziemlich interessant. Ich habe den Treibanker ausgeworfen (ein fallschirmartiger Sack, der einen in schwerer See langsamer macht), um zu verhindern, dass wir zu viel Boden verlieren und zu oft umgeworfen werden. Die Windböen fielen mit bis zu 55 Knoten über uns her, und die See war (und ist immer noch!) ein totales und gigantisches Chaos mit acht bis zehn Meter hohen Wellen. Obwohl sich der Wind schon wieder beruhigt, wachsen die Wellenberge weiter.
Ich fühlte mich an meinen ersten Sturm mit ELLA’S PINK LADY erinnert, als wir die schwere See mit dem Treibanker abwetterten, denn auch jetzt gab es ganze Serien neuer Bewegungen zu spüren und neuer Geräusche zu hören. Es wurde nicht gerade die entspannteste Nacht. Ich spielte ein wenig mit den Leinen des Treibankers herum, um uns im richtigen Winkel zu den Wellen zu positionieren. Als ich mich gerade kurz zum Schlafen hingelegt hatte, wurden wir ein weiteres Mal umgeworfen. Jetzt in einem Winkel von mehr als 90 Grad, zur Abwechslung auf die Backbordseite (links). Wieder überstanden wir die Kenterung ohne große Schäden. Allerdings hat sich meine große Flasche Spülmittel ihren Weg aus dem Schrank gebahnt, flog quer durch den Raum und ergoss sich über alles! Die gesamte Kabineinklusive der Tastatur, auf der ich schreibe, ist voller klebriger, glitschiger, schaumiger, zitronenfrischer Flüssigkeit – fantastisch! Meine Mutter vermutet, dass ich vom Putzen besessen bin! Und ich frage mich, warum ich unter Deck überhaupt noch aufräume und trockne, wenn es doch nie lange hält.
Es wird noch eine Weile dauern, bis sich die See wieder beruhigt und wir auf südlichen Kurs gehen können. Damit verschiebt sich mein Ankunftsdatum einmal mehr weiter nach hinten. Doch dafür sind diese Wellen von verblüffender Schönheit. Ich habe über Jahre davon geträumt, wie solche Wellen wohl in der Realität aussehen würden. Sie sehen zehnmal unglaublicher aus, als ich mir es je vorstellen konnte. Ich kann kaum glauben, dass ich um die ganze Welt gesegelt bin, um sie dann hier in meinem eigenen Hinterhof zu sehen.
Es tut mir leid zu hören, dass Abby einen Reparaturstopp in Kapstadt einlegen muss. Doch wie Abby selbst gestern in ihrem Blog so treffend formulierte: Es ist auf bestimmte Weise auch schön, dass wir nun zwei verschiedene Rekorde im Visier haben. So müssen wir nicht gegeneinander antreten. Außerdem bin ich total eifersüchtig, dass sie mich nun voraussichtlich im Rennen um die erste heiße Dusche schlagen wird!
Beim Auswerfen des Treibankers kurz vor der letzten Kenterung hatte ich mir eine dicke Lippe geholt. Das Blut war überall, und ein blaues Auge gab es noch dazu. Die ersten paar Tage nach schwerem Wetter war ich immer sehr empfindlich und in desolatem körperlichen Zustand. Schon der Versuch aufrecht zu stehen kam für mich Schwerstarbeit gleich.
Nach einer Kenterung konnte ich immer genau sagen, wie weit wir ins Wasser gedrückt worden waren. Ich konnte es an den verschiedenen fliegenden Objekten erkennen, die sich nach dem Wiederaufrichten in der Kajüte neu arrangiert präsentierten. Egal, wie gut ich vor einem Sturm aufgeräumt und alles vorbereitet hatte – irgendwie rissensich die Sachen trotzdem immer los und endeten an den merkwürdigsten Plätzen. In dem Sturm damals im Atlantik konnte ich den Winkel unserer Krängung sogar ganz genau bestimmen. Na ja, ich will es euch vielleicht doch lieber nicht näher erklären, denn der Grund ist ein bisschen eklig. Lasst uns festhalten, dass da eine braune Linie auf der Decke über der Toilette verlief! Glücklicherweise war es dieses Mal nur das Spülmittel, das später von der Decke tropfte und an den Wänden herunterlief.
Die verschiedenen Orte, an denen ich die umherfliegenden Objekte später eingezwängt entdeckte, zeigten deutlich, wie sehr ELLA’S PINK LADY umhergeschleudert worden war. Sie ist ein wirklich robustes Boot!
Während der Kenterungen im Atlantik war eine Tüte mit Joghurtkugeln aufgeplatzt. Die Dinger machten mich irre, weil sie wie wahnsinnig in der Kabine hin- und herrollten. Ich saß festgeschnallt auf meinem »möchtegern« trockenen Sitz, klammerte mich fest und konnte nichts dagegen tun. Noch vier Wochen später fand ich die Joghurtkugeln in den merkwürdigsten Ecken. Eine hatte sich ihren Weg hinter die Querstreben des Kochers gesucht und war von dort aus in den Geschirrschrank darunter gefallen. Und ich konnte und kann es bis heute kaum fassen, dass
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