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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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sein Fleisch zu essen. Als er jünger war, hatte es in Solom nur wenige Ziegen gegeben. Entweder hatten sie sich in den letzten Jahren vermehrt wie die Karnickel, oder es hatten alle Menschen gleichzeitig eine Vorliebe für diese sturen Viecher entwickelt.
    »Na dann verstehe ich, warum er so gereizt war«, meinte David.
    »Odus Hampton hat gesagt, dass man Ziegen um diese Jahreszeit nicht trauen kann.«
    Was Odus wohl noch so alles erzählt hatte?, dachte David. Ob er vielleicht mal seine Begegnung mit den Ziegen auf dem Weg über dem Smith’schen Grundstück erwähnen sollte? »Sie benehmen sich in letzter Zeit wirklich ziemlich komisch. Warum hast du dir eigentlich die Ziegen angeschafft?«
    Die Viecher drückten gegen den Zaun und stampften mit ihren kleinen Hufen, als ob sie ausbrechen wollten. Lillian wischte sich die Hand an ihrer Jeans ab und begutachtete die aufgerissene Haut. »Ich habe sie von Gordon Smith bekommen. Er meinte, sie sind ganz praktisch – man kann das Fleisch essen, die Milch trinken oder sie züchten. Ziegen wären gute Haustiere, sagte er. Er findet, dass jeder in Solom welche haben sollte.«
    »Ob Ziegen Tollwut haben können?«
    »Wahrscheinlich schon, wenn sie zum Beispiel von einem tollwütigen Luchs oder einer Fledermaus gebissen werden.«
    Die Ziegen gingen wieder in die Mitte ihres Geheges. Hier hatte Lillian einen kleinen Unterstand gebaut. Der Bock, den Lillian kastrieren wollte, senkte den Kopf und rannte mit voller Wucht gegen den Zaun. Der Draht verbog sich, die Zaunspfosten standen schief. Das andere Tier, ein tragendes Weibchen mit dickem Bauch und langen Zitzen, blökte herzzerreißend. Der Bock ging ein paar Schritte zurück und warf sich wieder gegen den Zaun.
    »Hilfe!«, quiekte Lillian. »Das Vieh ist verrückt geworden!«
    David legte seinen Arm um sie und zog sie weg vom Ziegenpferch. Er kam sich ziemlich blöd vor, vor einem Ziegenbock auszureißen, aber in den wahnsinnigen Augen des Tieres lag ein gruseliges Flackern, das ihm Angst einjagte.
    Lillians Haus war etwa sechzig Meter entfernt. Also sprangen sie schnell in Davids Pick-up, weil der Bock nicht von seinen Attacken auf den Zaun abließ.
    Gerade als sie es ins Auto geschafft hatten, gab der Maschendraht nach. Der Bock torkelte über das Drahtgewirr. Eigentlich hätte David gedacht, dass er direkt auf das Auto zulaufen und seine Hörner in das Blech rammen würde. Doch er blieb an der Stelle stehen, wo Lillians Blut auf den Boden getropft war, und fing an es aufzulecken.
    »Er wollte mein Blut?«, kreischte Lillian und schaute auf die klaffende Wunde an ihrer Hand. »Was zum Teufel ist hier los, David?«
    »Das frage ich mich auch!« Er schaute in den Rückspiegel. Wahrscheinlich würde es ihm gelingen, die Heugabel zu packen, bevor der Bock bei ihnen war. Aber was dann? Sollte er dem Vieh die Gabel zwischen die Rippen rammen? Der Bock hob den Kopf und schnüffelte, dann schaute er David direkt in die Augen.
    »David?« Lillians Stimme jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
    »Er kommt nicht her.«
    »Das meine ich nicht.« Sie stieß ihn an und er schaute aus dem Fenster. Ein Dutzend Ziegen von der benachbarten Wiese waren zu der aufgerissenen Stelle im Zaun gekommen und beobachteten das Geschehen. Ob sie wohl auch das Blut gerochen hatten, schoss es David durch den Kopf. Er sah das Bild von blutrünstigen Haien vor sich.
    Aber das hier waren Ziegen , verdammt noch mal! Nutztiere, die man essen konnte. Rein biologisch gesehen waren es ja Pflanzenfresser, aber sie fraßen auch Blechdosen, Wolldecken, Zeitungen und alles andere, was in ihren unersättlichen Schlund hineinpasste. Von fleischfressenden Ziegen hatte David noch nie etwas gehört. Doch warum hatte er dann solche Angst, dass die Ziegen ausbrechen und sein Auto umzingeln würden?
    »Hast du ein Gewehr?«, fragte er Lillian.
    »Ja, im Haus. Eine kleine 22er Pistole, um Einbrecher fernzuhalten.«
    »Dann ab ins Haus, würde ich sagen!«
    Er drehte den Zündschlüssel im Schloss. Fast erwartete er, dass der Motor nicht anspringen würde, wie in einem schlechten Horrorfilm. Doch er sprang an. David prügelte den ersten Gang rein und donnerte mit durchdrehenden Hinterreifen los.
    Am liebsten hätte David den Bock direkt umgefahren. Das Vieh glotzte ihn mit seinen geschlitzten Pupillen an, als ob er sich sein Gesicht merken wollte, um sich später an ihm zu rächen. Vor der Veranda bremste David ab. Zusammen mit Lillian rannte er ins Haus und

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