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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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an. Dunkle Tabakkrümel kullerten über sein Kinn und landeten auf dem Fußboden. Den Hut trug er tief ins Gesicht gezogen. Dennoch konnte man erkennen, dass der untere Teil seines milchigen Gesichts aussah wie Wachs. Gar nicht so geisterhaft, wie Sarah es von ihrer ersten Begegnung in Erinnerung hatte. In seinem Mund waren grobe Zahnstummel zu sehen, wie die Zähne eines Pflanzenfressers.
    »Schreiben Sie’s auf meine Rechnung, Sarah«, sagte er und zermahlte den Tabak zwischen seinen Kiefern. Seine Stimme war tief und rau.
    »Was treiben Sie hier in Solom?«, fragte Odus, der als Erster die Fassung wiedergewann.
    »Ich bin rein zum Vergnügen hier«, antwortete der Alte.
    Von draußen erklang ein Wiehern. Der Wanderprediger nahm sich einen Apfel aus einem Scheffelkorb und rieb ihn am Ärmel seiner schwarzen Wolljacke blank. »Die Früchte seiner Arbeit zu ernten bereitet großes Vergnügen.«
    Lillian verschüttete vor Schreck ihren Kaffee und Odus trat einen Schritt zurück, so dass er gegen den Ofen stieß. David hatte sich zur Hälfte von seinem Stuhl erhoben und stand halb gebückt da, als wäre er schockgefrostet. Sarah dachte kurz an die Schrotflinte, die sie unter der Kasse aufbewahrte, aber darauf lag leider ein großer Stapel Zeitungen.
    »Nett von euch, dass ihr für mich dieses kleine Treffen abhaltet«, sagte der Alte.
    »Wir wollen nichts von Ihnen«, sagte Odus. »Wir wollen nur in Ruhe gelassen werden. Wir lassen Sie auch in Frieden ruhen.«
    »Liebet eure Feinde, nicht wahr, Kirchenältester David? Segnet, die euch verfluchen, tut Gutes denen, die euch hassen.« Der Wanderprediger lachte ein humorloses Lachen, das einen Hauch von Höllenwind verströmte. Er warf einen dicken Tabakstrang auf die hölzernen Dielen. Sarah zuckte zusammen. Dann tippte er an seinen Hut und senkte leicht den Kopf, als ob er den anwesenden Damen zunickte.
    »Tut mir leid, dass ich euch schon verlassen muss, doch auf mich wartet die Arbeit im Obstgarten des Lebens«, sagte er. Dann ging er zur Tür. Seine Stiefel hallten über die Dielen. Er ging nach draußen und verschwand in der Dunkelheit, aus der er gekommen war. Aus der sie alle gekommen waren, und mit der sie untrennbar verbunden waren.
    Hufe donnerten über den Asphalt. Die sechs Verschwörer saßen still beieinander. Jeder von ihnen fürchtete, seine Angst in Worte zu fassen. Schließlich stand Sarah auf und holte einen Lappen, um die Tabakkrümel aufzuwischen. Doch als sie an der Stelle bei der Kasse ankam, waren die Krümel verschwunden. So wie das Wesen, das sie verloren hatte.

 
     
     
    30. KAPITEL
     
    Alex schaute durch die kleinen Fenster an der Vorderseite seines Hauses und ließ den Blick über das Grundstück schweifen. Die Luft war rein. Meredith hatte heute Nachtschicht im Ruby Tuesday’s in Titusville. Endlich hatte er mal Zeit, in Ruhe über seine Begegnung vom Vortag nachzudenken, ohne dass er von Merediths Wünschen abgelenkt wurde.
    Ziegen als Komplott der Regierung. Endlich ergab für Alex alles einen Sinn. So machten sie es also. Näherten sich ihm auf die unverfänglichste Weise, die man sich nur vorstellen konnte. Wenn er nur Internet hätte, dann könnte er jetzt in einen Chatroom von irgend so einer Freiheitsbewegung gehen und direkt von den Kämpfern an der Front lernen. Aber er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Regierung jeden einzelnen Webserver des Landes überwachte. In riesigen unterirdischen Höhlen bei Washington, D.C., saßen FBI-Agenten vor endlosen Computerreihen und kontrollierten jede einzelne E-Mail.
    Wenn die Regierung hinter dieser Sache steckte, dann musste der Alte mit dem schwarzen Anzug sowas wie eine genetische Fehlkonstruktion sein. Das Ergebnis eines geheimen Experiments, das schiefgegangen war. Dass er sich auf dem Gelände unweit seines Anwesens herumtrieb, konnte nur eins bedeuten: Sie waren hinter ihm her. Vier Jahre Steuerhinterziehung war kein so schweres Verbrechen. Nicht wenn der Kongress Milliarden unterschlug. Aber hier ging es ums Prinzip. Geld war denen egal. Es sollte bloß niemand erfahren, dass man den Staat bescheißen konnte. Und wie verletzlich er deshalb war. Wie könnte man seinen Feind besser unbemerkt erwischen als in der Gestalt eines Provinzpredigers?
    Außer dass dieser Prediger bei lebendigem Leibe aufgefressen worden war. Selbst wenn er ein verkleideter FBI-Agent gewesen war, war das eine ziemliche Leistung. Vielleicht hatten sie so eine Art Hologramm dazu benutzt. Die

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