Some like it heiß
höre, was sie sagen. »Geile Schuhe«, sagen viele. – »Hat sie die nicht schon in der letzten Show getragen?«, sagen andere.
»Wie schafft sie das?«, fragte eine Frau in Baden-Baden ihre Sitznachbarin, als ob ich ein auf einem klitzekleinen Ball balancierender Zirkuselefant wäre. Ich dachte an den berühmten Witz vom Geigenspieler, der in New York auf der Straße eine Frau nach dem Weg zur Carnegie Hall fragt. Die Frau sagt: »Üben. Üben. Üben.«
Ich versuche immer wieder, bequeme Schuhe zu finden, die hübsch sind – aber seien wirehrlich, it’s like Knäckebrot und Hüttenkäse zu essen, when what you really want is a Pizza. Ecco, Geox, all diese Müslischuhe – weg damit! Flip-Flops sind okay – at the beach oder in der Sauna –, UGGS – die australischen Trendschuhe – sehen aus wie Nashornpfoten, und Chucks tun irgendwann auch weh.
Ich habe meiner Mutter ein Paar Birkenstocks zu ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag geschenkt. Sie war im Pflegeheim und litt an Neuropathie in den Füßen, einer zum Beispiel durch Diabetes, eine Infektion oder Krebs verursachten Krankheit – oder von einem langen Leben als Supermarktkassiererin, die in High Heels hinter der Kasse stand, immer eine halbe Nummer zu klein. Meine Mutter hatte sehr kleine Füße, trotzdem kaufte sie ihre Schuhe immer mindestens eine halbe Schuhgröße zu klein. Sie brauchte eine amerikanische 5 – eine deutsche 36 –, aber quetschte sich immer in eine 35,5. »That’s what I always wear«, war ihre Logik. Wir haben Ma oft gefragt, warum sie überhaupt High Heels hinter der Kasse trug, wo sowieso niemand ihre Schuhe sehen konnte, und sie sagte: »They make me feel good.« Nach über fünfundvierzig Jahren im Job konnte sie ihre Füße nicht mehr fühlen. Ich wollteihren Schmerz lindern und ihr ein wenig Komfort schenken.
»Those things are goddamn ugly! Who wears those shoes? Germans?« Sie war empört. Dass die Deutschen so etwas freiwillig trugen, war für meine Mutter undenkbar. Eigentlich war ganz Deutschland für meine Mutter undenkbar. Sie war 1923 geboren und verfolgte den Zweiten Weltkrieg im Kino in Massachusetts. Deutschland war eine endlose schwarzweiße Wochenschau voller marschierender Nazis, mit einem krakeelenden Goebbels und einem bellenden Hitler. Obwohl niemand aus ihrer Familie im Krieg war, hatte sie panische Angst vor Deutschland und den Deutschen. In all meinen Jahren in Berlin hat sie mich nie besucht. Sie war mittlerweile Rentnerin und Witwe und hatte panische Angst vor allem.
»Who wears those shoes – Arnold Schwarzenegger?« Meine Mutter hasste Arnold Schwarzenegger, weil er Maria Shriver, die Nichte von John F. Kennedy, geheiratet hatte, und das war für sie schlimmer als der Blitzkrieg. Sie hat mir bis zum Schluss nicht geglaubt, dass Arnie – wie Adolf – aus Österreich stammt.
Sie versprach mir aber, dass sie die Birkenstockstragen werde, jeden Morgen bei ihrem Frühsport: Chairobics – Stuhl-Aerobic –, ein cleverer Fitnesskurs für Senioren, den man bequem im Sitzen absolvieren kann. Bei meinem letzten Besuch habe ich teilgenommen und war begeistert. Acht Seniorinnen saßen auf Stühlen im Kreis und machten sanfte Krankengymnastik zu etwas deprimierenden Oldies von Louis Armstrong, »Wonderful World«, und Johnny Mathis, »Chances Are«. Nach den entspannten zwanzig Minuten habe ich der Kursleiterin eine neue Playlist vorgeschlagen. Vielleicht etwas Peppigeres wie »Flashdance«, »Bootylicious« oder »These Boots Are Made for Walking«.
Für Fortgeschrittene und Junggebliebene bietet das »Crunch«-Sportstudio in New York ein Wahnsinns-Workout namens »Stiletto Strength« an: einen dreißigminütigen Aerobic-Kurs
in
High Heels – um die Fußgelenke zu stärken und so das weitere Tragen von High Heels in Manhattan zu ermöglichen. Die meisten New Yorkerinnen, die ich kenne, tragen flache Schuhe unterwegs und auf der Straße und wechseln die Schuhe, sobald sie ins Restaurant, ins Theater oder an den Arbeitsplatz kommen. Man muss schnell sein in the city that never sleeps und weißnie, mit welchen Hindernissen man konfrontiert wird. Manch weiblicher Executive hat sogar ein extra Paar Turnschuhe an ihrem Arbeitsplatz,
terrorism sneakers
, falls etwas Schlimmes passiert und sie ganz schnell weglaufen muss.
Ich hätte jetzt ein Paar bequeme Turnschuhe gut gebrauchen können, Sabine war fertig mit meine Füßen, und mein Leber-Qi funktionierte wieder. Ich war ausgeglichen und tiefenentspannt
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