Someone like you - Dessen, S: Someone like you
an zwei Büros vorbei auf ein drittes zu. Als wir das mittlere Büro passierten, war mir, als hörte ich durch die angelehnte Tür Macons Stimme, gelegentlich unterbrochen von Mr Mathers leise grollendem Organ. Ob Macons Trick wohl funktionierte?
Als ich endlich wieder aus dem Büro herauskam, war ich fix, fertig und mit den Nerven am Ende, aber mein Stundenplan korrigiert. Macon hatte ich allerdings fast vergessen. Mit ziemlich dumpfer Birne trat ich vor den Eingang zur Schülerbetreuung, gerade als es zum Ende der zweiten Stunde läutete und sich ein Menschenstrom aus den Klassenzimmern auf die Flure ergoss. Ich ging zum Getränkeautomaten, um mich mit Scarlett zu treffen.
»Hey«, rief sie mir über den Mob hinweg zu, der sich mit Münzen bewaffnet und gierig nach Cola & Co. Richtung Getränkeautomat schob. Scarlett hatte bereits zwei Colas ergattert, die sie über ihrem Kopf schwenkte. Ich folgte ihr beziehungsweise den Dosen, bis wir die Mauer am anderen Ende des Hofs erreichten. Die Mauer, auf der Michael Sherwood gesessen hatte, als das Foto aus der Dia-Show aufgenommen wurde.
Sie gab mir eine Cola. »Wie war’s bei der Blaskapelle?«
»Spitze.« Ich öffnete die Dose und nahm einen tiefen Schluck. »Die sagen, ich sei ein Naturtalent auf der Oboe.«
|76| »War ja klar.« Sie grinste.
Ich grinste zurück. »Die Blaskapelle bleibt mir erspart, zum Glück. Aber rate mal, mit wem ich gequatscht habe, bis ich endlich an die Reihe kam?«
»Mit wem?«
Doch bevor ich antworten konnte, ertönte aus Richtung des Getränkeautomaten ein derartiges Geschrei und Gebuhe, dass man mich sowieso nicht verstanden hätte. Irgendwer wurde lautstark losgeschickt, um den Hausmeister zu holen. Der Automat ging mindestens einmal am Tag kaputt. Und jedes Mal gab es einen Riesenaufstand. Ich wartete, bis die Leute sich wieder etwas beruhigt hatten und unter Geschimpfe, begleitet von Münzenklingeln, davongegangen waren. Erst dann sagte ich: »Macon Faulkner.«
»Echt?« Sie öffnete ihren Rucksack und kramte suchend darin herum. »Wie geht es ihm?«
»Ich glaube, er hatte wegen irgendetwas Ärger.«
»Das wundert mich nicht.« Sie stellte ihre Coladose ab. »Mir ist auf einmal richtig flau. Irgendwie schlecht, ich weiß auch nicht.«
»Ist dir übel? Wirst du krank?«
»Vielleicht.« Sie holte ein Fläschchen Aspirin aus dem Rucksack, öffnete es und nahm zwei. »Wahrscheinlich nur meine berühmte Schulallergie.«
»Wahrscheinlich.« Ich sah sie an. Sie lehnte sich an die Ziegelmauer und schloss die Augen. Ihr Haar leuchtete dunkelrot in der Sonne, mit helleren Strähnen dazwischen. Es sah beinahe unwirklich aus.
»Jedenfalls war es echt krass«, fuhr ich fort. »Er saß plötzlich neben mir, einfach so, und quatschte auf mich ein. Als würde er mich kennen.«
»Er kennt dich doch auch.«
|77| »Ja, aber nur von dem einem Tag, an dem die Beerdigung stattfand. Vorher kannten wir uns offiziell
nicht
.«
»Ja und? Halley, wir wohnen in einer Kleinstadt, hier kennt jeder jeden.«
»Ich fand’s trotzdem schräg«, sagte ich beharrlich. Ließ die ganze Unterhaltung noch einmal vor meinem Inneren ablaufen: von dem Moment an, wo er seinen Finger in meine Schulter gebohrt hatte, bis zu dem, als er im Davongehen meinen Namen sagte und mich dabei angrinste. »Ich weiß auch nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll.«
Sie legte die Hände im Nacken um ihre Haare und formte einen Pferdeschwanz. »Vielleicht steht er auf dich«, meinte sie schlicht.
»Ach Quatsch.« Ich fühlte, wie mein Gesicht zu brennen anfing.
»Man kann nie wissen. Und warum gehst du eigentlich immer automatisch davon aus, dass so was unmöglich ist?«, konterte sie.
Es klingelte. Ich trank meine Cola aus, warf die Dose in den Recyclingbehälter neben mir. »Auf zur dritten Stunde.«
»Meereskunde, bäh.« Sie setzte ihren Rucksack auf. »Was hast du?«
»Ich habe . . .« Doch weiter kam ich nicht, denn je mand klopfte mir auf die eine Schulter, und als ich mich umdrehte, war der Jemand, der auf der anderen Seite gestanden hatte, schon weg – der Klassiker. Ich wollte mich bereits wieder Scarlett zuwenden, da sah ich hinter ihr Macon auf dem Weg zur Sporthalle.
»Komm schon«, rief er mir über den Schulhof hinweg zu, der sich rapide leerte. »Oder möchtest du etwa zu spät zu unserer gemeinsamen Sportstunde kommen?«
|78| ». . . Sport«, vollendete ich etwas lahm meinen Satz. Spürte schon wieder dieses Brennen auf dem Gesicht. Garantiert war
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