Someone like you - Dessen, S: Someone like you
Ich bin schon mit Algebra I kaum klargekommen.«
Er nickte verständnisvoll. Offensichtlich hatten wir in dem Punkt etwas gemeinsam. »Französisch, Sport . . . he, wir sind im selben Sportkurs.«
»Echt?« Macon Faulkner und ich: beim Badmintonspielen; mit Golfschlägern in der Hand bei unseren ersten Schlagversuchen; gemeinsam in einer Halle voll hüpfen der Basketbälle.
»Ja. Du in der dritten Stunde, ich in der dritten Stunde.« Er las weiter, wobei er die Mütze abnahm, sich durch seine blonden Haare fuhr, die Mütze verkehrt herum wieder aufsetzte. »Chemie, Physik, Englisch, blablabla . . . ups! Sieh an, was haben wir denn
da
?«
Ich ahnte schon, was kam.
»Blaskapelle.« Ein breites Grinsen. »Du marschierst bei den Trötern mit?«
|73| »Tue ich
nicht «
, entgegnete ich laut, worauf mir der Klarinettenfreak erneut einen scheelen Blick zuwarf. »Das ist ein totales Versehen, aber kein Mensch glaubt mir.«
»Welches Instrument spielst du?«
»Keins.« Ich bemühte mich so viel Empörung wie mög lich in meine Stimme zu legen, aber ich schaffte es nicht. Er war einfach zu niedlich. Keine Ahnung, warum er über haupt ein Wort mit mir wechselte.
»Du siehst nach Flöte aus. Ja, typisch Flötistin.« Er strich sich nachdenklich übers Kinn. »Vielleicht sogar Piccolo.«
»Halt die Klappe.« Ich überraschte mich selbst. So viel Frechheit hätte ich mir gar nicht zugetraut.
Er schüttelte lachend den Kopf. »Oder doch eher Triangel?« Er hob die Hände und tat so, als würde er eine imaginäre Triangel mit einem ebenso imaginären Stöckchen anschlagen, wobei er wehmütig in die Ferne blickte.
»Lass mich endlich in Ruhe«, stöhnte ich, vergrub das Gesicht in den Händen und wünschte mir insgeheim nichts mehr, als dass er mich
nicht
in Ruhe ließ.
»Ach komm.« Ich spürte, wie er den Arm um meine Schulter legte und mich kurz an sich drückte. »Ich verarsche dich doch bloß ein bisschen.« Ich wäre fast gestorben.
»Der heutige Tag war einfach das Letzte«, meinte ich. Er nahm seinen Arm wieder fort, wobei er seine Hand allerdings über meinen Rücken gleiten ließ. »Das Allerletzte!«
»Faulkner«, brüllte jemand so laut, dass alle anderen still wurden. Als ich aufblickte, sah ich Mr Mathers, unseren Hauptbetreuungslehrer, neben dem Schreibtisch der Sekretärin stehen; er hatte einen Aktenordner unterm Arm und sah nicht gerade glücklich aus. »Jetzt komm schon.«
|74| »Der meint mich«, sagte Macon unbekümmert. Stand auf, schnappte sich sein Spiralheft, salutierte spöttisch und blinzelte mir zu. »Jedi-Trick. Nicht vergessen.«
»Niemals.« Ich nickte.
»Bis dann, Halley.« Für den kurzen Weg hinüber zu Mr Mathers ließ Macon sich alle Zeit der Welt. Als er bei ihm angekommen war, legte Mr Mathers ihm schwer eine Hand auf die Schulter und führte ihn über den Flur davon. Ich konnte es nicht fassen: Er hatte sogar meinen Namen behalten. Das
Stirb Stirb Stirb
-Mädchen starrte mich an. Als wäre ich plötzlich wichtiger als vorher, als müsste, könnte, sollte man sich für mich interessieren, nur weil ich ein paar Takte mit Macon Faulkner gequatscht hatte. Auf jeden Fall kam ich mir anders vor als vorher. Macon Faulkner persönlich, mit dem ich in meinem gesamten bisherigen Leben nicht mehr als höchstens sieben Worte gewechselt hatte, war soeben an meiner Seite erschienen und hatte sich mit mir unterhalten. Nicht eine, nicht zwei – nein, mehrere Minuten lang. Oder so. Als wären wir Freunde, alte Kumpel, obwohl wir uns erst seit ein paar Tagen offiziell kannten. Ich hatte plötzlich so etwas wie Schmetterlinge im Bauch, ein ganz seltsames, unruhiges Gefühl. Scarlett fiel mir ein: Scarlett, wie sie im Supermarkt an Kasse acht stand und errötend auf eine Kiwi starrte.
»Ha. . . Hal Cooke. Gibt’s hier einen Hal Cooke?«, ertönte eine gelangweilte Stimme quer durch den Raum. Mein Hochgefühl machte quietschend eine Vollbremsung. An manchen Tagen konnte ich meine Eltern echt verfluchen, dass sie mich nicht Jane oder Lisa genannt haben; zum Beispiel an einem ersten Tag im neuen Schuljahr.
|75| Ich stand auf, nahm meinen Rucksack. Die Schülerbe treuerin , die neben dem Schreibtisch stand und auf mich wartete, eine dicke Schwarze in knallpinkem Kostüm, versuchte immer noch zu kapieren, wie ich eigentlich hieß. »Halley«, erklärte ich, während ich auf sie zuging. »Ich heiße Halley.«
»Aha.« Sie bedeutete mir ihr zu folgen und wandte sich um. Wir gingen den Flur entlang,
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