Someone like you - Dessen, S: Someone like you
letzter Zeit verschlang Scarlett Plätzchen wie eine hungrige Wölfin. Oft wartete sie nicht einmal, bis die Teile gebacken waren, sondern holte sich den Teig aus dem Kühl schrank und stopfte ihn roh in sich hinein, direkt aus der Plastikverpackung.
»Steck sie trotzdem ein«, sagte Scarlett. »Ist immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.« Der Satz hätte auch von meiner Mutter stammen können.
Wir standen einander gegenüber, da in Scarletts Küche, und sie sah mich an, als wollte sie mir etwas sagen, das sie nicht über die Lippen brachte. Daher nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich. »Okay, spuck’s schon aus. Wo liegt das Problem?«
»Kein Problem.« Geistesabwesend ließ sie das Krimskramstablett kreiseln. Cameron verfolgte unser Gespräch leicht nervös. Seit kurzem hatte er sich auf neues, ihm unbekanntes Gelände vorgewagt, indem er zumindest immer ein Teil trug, das nicht schwarz war. Die Anregung dazu stammte natürlich von Scarlett. Heute Abend trug er also ein blaues Hemd, wodurch er aussah, als wäre er plötzlich aus einem Halbdunkel ins Scheinwerferlicht getreten. »Ich finde bloß . . . ich mache mir Sorgen um dich.«
»Wieso?«
|275| »Keine Ahnung. Weil ich weiß, was du vorhast, weil ich weiß, dass du denkst, es ist das Richtige, aber –«
Ich fiel ihr ins Wort: »Bitte, lass das. Fang jetzt nicht davon an.«
»Ich tue doch gar nichts. Ich möchte nur, dass du auf dich aufpasst.« Cameron stand auf, um sich mit rotem Kopf und teigbeschmierten Händen zum Backofen zurück zuziehen .
»Du hast gesagt, du wärest auf meiner Seite«, antwortete ich. »Außerdem hast du gesagt, ich würde es schon spü ren , wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.« Erst meine Mutter und jetzt Scarlett. Alle warfen sie mir Knüppel in den Weg, die mich davon abhalten sollten und wollten, vorwärts zu kommen.
Sie sah mich an. »Liebt er dich, Halley?«
»Komm, Scarlett, was soll das?«
»Liebt er dich?«, wiederholte sie.
»Klar.« Ich blickte auf meinen Ring. Je öfter ich es aussprach, umso eher glaubte ich es selbst.
»Er hat dir gesagt, dass er dich liebt. Er hat die Worte ausgesprochen.«
»Das muss er gar nicht«, erwiderte ich. »Ich weiß es auch so.« Ein Klirren und Scheppern, als Cameron das Blech mit Plätzchen fallen ließ, es wieder aufhob und prompt auf die Herdplatten knallen ließ. Hastig murmelte er irgendwas Unverständliches.
»Halley, sei nicht blöd.« Scarlett schüttelte den Kopf. »Warum willst du jemandem, der dir nicht einmal sagen kann, dass er dich liebt, etwas so Wichtiges geben? Etwas, das sich lohnt festzuhalten.«
»Weil ich es so will«, entgegnete ich laut. »Und ich fasse es nicht, dass du ausgerechnet jetzt davon anfängst, |276| nachdem wir seit Wochen über nichts anderes geredet haben. Ich dachte, du wärest meine Freundin.«
Sie ballte die Fäuste und beäugte mich scharf. »Ich bin deine
aller beste
Freundin«, konterte sie. »Und genau darum fange ich
jetzt
davon an.«
Ich traute meinen Ohren nicht. Die ganze Zeit laberte sie davon, dass ich auf meine eigene, innere Stimme hören sollte. Und fiel mir plötzlich derart in den Rücken? Ich stand auf und schob meinen Stuhl unwillig unter den Tisch. »Was du da machst, nervt. Ich muss los.«
»Irgendwas stimmt daran einfach nicht. Es ist falsch.« Sie stand ebenfalls auf. »Und das weißt du selbst ganz genau.«
»Es ist falsch?« Noch bevor ich weitersprach, wusste ich, dass ich als Nächstes etwas Fieses, Verletzendes sagen würde. »Aber bei dir war es richtig, was? Und das Ergebnis? Schau dir doch an, wie
richtig
es bei dir war, Scarlett.«
Sie trat zurück, als hätte ich sie geohrfeigt. Ich wusste, dass ich zu weit gegangen war. Cameron stand am Herd und starrte mich mit dem gleichen Gesichtsausdruck an, den ich sonst für Maryann Lister, Ginny Tabor und alle anderen reserviert hatte, die ätzend zu Scarlett waren.
Schweigen. Wieder standen wir uns gegenüber, die halbe Küche zwischen uns, und blickten einander bloß an. Plötzlich klingelte es an der Haustür. Niemand rührte sich.
»Hallo?« Über Scarletts Schulter hinweg sah ich, wie Steve – oder jemand, den ich für Steve hielt – in die Kü che trat. Die Verwandlung war vollzogen. Er trug sein Amulett an der Lederkordel, Lederstiefel, Tunika, Hosen aus grobem Sackleinen, eine Art Umhang und an seiner Seite – ein Schwert. Stand neben dem Gewürzregal wie ein Fleisch gewordener Anachronismus.
|277| »Ist sie so weit?« Er schien
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