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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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dass ich mich in London befand, aber ich brauchte sie ja nicht unbedingt wissen zu lassen, wo denn nun genau.
    Während ich mich noch umschaute, leerte sich die Straße plötzlich schlagartig. Die Leute verschwanden in den Schatten und Gebäuden oder gingen einfach davon. Das hatte ich schon oft genug in New York erlebt, und als ich verstohlen zu Canny hinüberschaute, stellte ich fest, dass er mich angestrengt ansah. Er nickte kaum merklich, und ich verzog das Gesicht. Wenn die Leute auf der Straße sich so verhielten, bedeutete das normalerweise immer das Gleiche: Die System-Polizei kam. Ich wandte mich wieder Jerry Materiel zu.
    »Lass den Scheiß«, sagte ich und stand auf. »Also: Kannst du die Bestellung liefern oder nicht?«
    Er kratzte sich hinter dem Ohr, betrachtete erneut mit zusammengekniffenen Augen die Liste, und sein Gesicht schien mit einem Mal nur noch aus Hautfalten und Bartstoppeln zu bestehen.
    »Nu, na ja, ich denkma, ich könn …«
    Canny stand schon auf den Beinen und drängte jetzt Gatz, es ihm gleichzutun. Ich hob die Hand und brachte Jerry mitten im Satz zum Schweigen.
    »Also: Wieviel?«
    Er blickte mich so verkniffen an, dass ich mich schon fragte, wie er durch seine Augenbrauen überhaupt noch etwas erkennen konnte. »Billig wird das nich, Mr Cates. Das kann ich gleich sag’n.«
    Die Straße war schon fast menschenleer; die Gauner der Stadt verschwanden spurlos, wie Wasser in einem Abfluss. Mein ganzer Körper spannte sich an, mein Herz hämmerte, und ich wartete nur darauf, dass es losging. Doch meine Miene war immer noch ungerührt – wenn man sich auf dieses Spiel hier einließ, durfte man nicht einen Moment lang aus der Rolle fallen, sonst witterten die Haie sofort Blut –, und während ich mit dem Geschäftsmann sprach, behielt ich im Augenwinkel weiterhin Materiels Jungs im Auge, die jetzt ebenfalls das nahende Unheil zu spüren schienen. Doch sie hielten sich weiterhin an ihre Anweisungen und blieben auf Abstand.
    »Sagen Sie mir einen Preis.«
    Es war geradezu qualvoll, miterleben zu müssen, wie Materiel im Kopf Dinge durchrechnete; wir verloren hier kostbare Sekunden. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sogar die Mönche ihre Sachen packten, um sich nach anderen, besseren Möglichkeiten umzusehen, als sich nach und nach herumsprach, was hier gleich geschehen würde. Die Cyber-Kirche mochte ja in wenigen Jahren die einzige Religion der ganzen Welt sein, aber im Augenblick befanden sich am oberen Ende der Nahrungskette immer noch die System-Bullen.
    Materiel gestattete sich ein listiges Grinsen und nannte mir eine Zahl, die dafür sorgte, dass sich mir die Nackenhaare sträubten. Ich öffnete schon den Mund, um gegen den offensichtlichen Wucher zu protestieren, doch Orel legte mir seine ledrige, erstaunlich schwere Hand auf den Arm.
    »Abgemacht«, sagte er zu Materiel und reichte ihm mit der anderen seinen Credit-Dongle. »Ich bin kreditwürdig.«
    Materiel überprüfte Orels Daten und nickte lächelnd. »Also gut, meine Herren. Wohin soll ich’n liefern?«
    Ich hatte mich schon in Bewegung gesetzt; Gatz und Orel folgten mir dichtauf. »Wir melden uns.«
    Als wir ein paar Schritte weit gekommen waren, holte Orel mich ein. »Sieht ganz nach einem Standard-Jäger/Sammler-Einsatz des SSD aus.«
    Ich nickte und versuchte alle Richtungen gleichzeitig im Auge zu behalten. »Ich bin es allmählich leid, vor den Scheiß-Bullen davonzulaufen.«
    »Dann sollten Sie sich einen anderen Beruf suchen, Mr Cates.« Er deutete auf irgendetwas hinter uns. »Die werden von da drüben kommen, denke ich – mit einem Schweber in der Luft, um uns zusammenzutreiben.«
    »Genau. Aufteilen!«, sagte ich, löste mich sofort von den beiden anderen und steuerte eine eingestürzte Wand ein. Das sah für mich nach einer guten Möglichkeit aus, diese Gegend zu verlassen. Das Beste wäre es, sich eine Zeitlang bedeckt zu halten; der SSD nutzte seine Lufthoheit immer gnadenlos aus. Ich hatte vielleicht vier Schritte getan, als ich hinter mir Orel brüllen hörte: »Renn, du Idiot!«
    Ich blickte gerade rechtzeitig hinter mich, um zu sehen, wie Orel Gatz einen heftigen Stoß versetzte, damit mein Kumpel sich endlich bewegte, als ein riesiger Schweber – der größte, den ich jemals gesehen hatte – plötzlich über der zerstörten Kirche in der Luft stand: Das Dröhnen seiner Verdrängung explodierte regelrecht um uns herum, ein Sturm aus purem Lärm. Die wenigen Leute, die sich immer noch auf der Straße

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