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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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verwendet hat.«
    Darauf ließ sich nichts erwidern. Nach weiteren dreißig Sekunden sog Kieth scharf die Luft ein; von der Tür war ein Klicken zu hören, und sie klappte ein wenig in den Raum hinein auf. Kieth wandte den Kopf zur Seite und blickte uns an, während er seine Werkzeuge wieder einsammelte, doch dann wurde er zu Boden gestoßen, als jemand die Tür eintrat. Ein geisterhafter Mönch stand im Türrahmen.
    »Das ist nicht richtig so!«, brüllte der Mönch und schloss unkontrolliert zwei Mal in den Raum hinein; seine Stimme war durch Digitalfilter immer noch sauber moduliert und klang sehr freundlich. »Das ist verdammt noch mal nicht richtig so!«
    Belling und ich feuerten gleichzeitig eine Kugel genau in das Gesicht des Mönchs; umgeben von einer weißen Wolke aus Kühlflüssigkeit stürzte er rücklings zu Boden. Jetzt, da die Tür offen stand, war der Lärm ohrenbetäubend, kam aus allen Richtungen gleichzeitig: aus der Nähe, aus der Ferne – eine Kakophonie aus Entsetzen und Zorn und nacktem Wahnsinn.
    Ich fragte mich, ob ich gerade einen unschuldigen Menschen getötet hatte, gequält und dem Wahnsinn anheim gefallen. Das fühlte sich gar nicht gut an. Aber er hatte eine Waffe gehabt, und er hätte mich zweifellos erschossen, wenn ich ihm die Gelegenheit dazu geboten hätte. Es ging hier ums nackte Überleben. Das half.
    »Ohm …«, sagte Kieth schwächlich und wand sich unter dem Türblatt hervor. In einem schmalen Rinnsal troff ihm Blut von der Kopfhaut bis zum Kinn. »Ty übernimmt die Nachhut.«
    Ich deutete auf Belling. »Nach dir, Arschloch.« Er blinzelte mir zu und huschte mit geradezu verstörender Geschwindigkeit auf den Korridor hinaus, rollte sich zur gegenüberliegenden Wand und richtete sich sofort wieder gewandt auf; die Waffe fest in der Hand, sicherte er rasch in beide Richtungen. Dann blickte er wieder zu mir herüber und nickte. Ich eilte an ihm vorbei, ging zur anderen Wand und blieb so aus seiner Schusslinie. Marin folgte uns, gab uns Richtungen vor, und Kieth blieb in unserer Mitte. Er war kalkweiß und wirkte ernstlich besorgt.
    Nach der ersten Biegung des Gangs umgab uns der schiere Wahnsinn. Die Mönche kamen aus allen Richtungen – hinter uns, vor uns, sie stürmten aus bislang verborgenen Türen, einer ließ sich sogar von der Decke auf uns herabfallen. Sie gingen völlig unkoordiniert vor, feuerten aufs Geratewohl und schrien alles Mögliche, in verschieden Sprachen, manchmal schienen sie uns nicht einmal zu bemerken – was auch egal war, wenn sie hereinkamen und in alle Richtungen feuerten. Betonsplitter brannten mir in den Augen, Kugeln sausten heulend unmittelbar an meinen Ohren vorbei. Dennoch blieb mir dieses sonderbare Hochgefühl, das mich erfasst hatte, und ich bemerkte, dass ich die ganze Zeit über grinste, während Belling einen Fluch nach dem anderen ausstieß und Kieth lautstark um sein Leben bettelte.
    Zunächst war alles noch recht einfach, weil die durchgeknallten Mönche einfach überall im Komplex Chaos anrichteten. Die meisten liefen uns geradewegs vor die Flinten oder rannten an uns vorbei, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen. Selbst die wenigen, die uns tatsächlich bemerkten und versuchten, ihren Schmerz ein wenig mit uns zu teilen, waren durcheinander und desorientiert. Irgendwann erreichte ich eine Ecke des Gangs, und sofort packten zahllose Hände nach mir: Ich wurde in die Luft gerissen, während Belling und Kieth hinter mir lautstark brüllten. Instinktiv hob ich die Waffe und legte die Mündung direkt unter das Kinn eines der Mönche, doch dann blickte ich in ein Plastikgesicht – wie das von West, wie das von Dawson.
    »Mach, dass es aufhört!«, schrie der Mönch mich an, und die sanfte, gefilterte Stimme klang doch etwas rauer, als Emotionen die Schaltungen überlasteten. »Mach, dass es aufhört!«
    Der Mönch versuchte nicht einmal, mich zu verletzen oder sich selbst zu schützen. Es wäre einfach gewesen, ihn jetzt zu töten. Ich konnte es nicht. Das waren Menschen, Menschen wie ich – nur dass sie noch weniger Glück gehabt hatten als ich. Andererseits war ich hier unter der Erdoberfläche gefangen, eingesperrt mit einer ganzen Armee verrückt gewordener Cyborgs und dem Leiter der SSD-Abteilung für Innere Angelegenheiten, schon bald alleiniger Herrscher der Welt, so weit ich das beurteilen konnte. Vielleicht waren es im Ganzen ja doch nicht die Mönche, die weniger Glück gehabt hatten.
    Belling sah die Sache etwas anders

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