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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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denn …« – der Mönch drehte den Kopf zur Seite und blickte Nad durch seine verspiegelte Sonnenbrille hindurch direkt an – »… es sei denn, Sie erkennen die Wahrheit und schließen sich der Cyber-Kirche an. Erringen Sie die Erlösung durch Unsterblichkeit. Studieren Sie den Mulqer Codex und bereiten Sie sich auf die Ewigkeit vor. Das ist Ihre einzige Hoffnung.«
    Wieder hielt der Mönch inne. Niemand rührte sich. Wir wagten es einfach nicht.
    »Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben«, sagte der Mönch schließlich, wandte sich ab und verließ die Bar in einem kurzen Aufblitzen von Regen und Dunkelheit.
    Einige Sekunden lang währte die Stille in der Kneipe noch an. Nad starrte nur auf die Tischplatte vor sich; er war sichtlich unglücklich. Dann rief irgendjemand aus dem hinteren Teil der Bar »Ach du heilige Scheiße!«, und schallendes Gelächter brandete auf. Sofort hatten die Gespräche wieder ihre übliche Lautstärke erreicht: Es war ohrenbetäubend laut, und immer wieder waren spitze Bemerkungen über die Mönche zu hören. Ich konnte mich nicht entspannen. Ich trank drei weitere Gins, kippte sie regelrecht hinunter und spürte überhaupt nichts. Ich konnte es nicht erklären, aber dieser Mönch ließ bei mir sämtliche Alarmsirenen schrillen.
    Aus Mitleid gaben zahlreiche andere Gäste Nad einen Drink nach dem anderen aus. Nad war beinahe schon das Maskottchen dieser Bar: der gescheiterte Verbrecher, der einfach nicht die Klappe halten konnte. Ihn jetzt so ruhig und bedrückt erleben zu müssen, sorgte in dieser Umgebung für mehr Herzlichkeit, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Angesichts der jüngsten Ereignisse kauerten Gatz, Nad und ich uns eng zusammen und machten uns daran, ernstlich zu trinken. Als ›Pickering’s‹ schließlich dichtmachte, saßen nur noch wir drei an einem langen, knarrenden Tisch.
    »Komm schon, Nad«, sagte ich und stand versuchsweise auf, um herauszufinden, wie schlecht es mir wirklich ging. Nach mehreren Stunden, die ich mit Picks Gin verbracht hatte, schien die ganze Welt nur noch aus weichem Gummi zu bestehen; alles, was ich versuchte, fiel mir verdammt schwer, aber dafür tat mir auch kaum etwas weh; also, was sollte es? »Komm jetzt, wollen mal sehen, wie wir dich nach Hause kriegen, was?«
    Wir verabschiedeten uns von Gatz. Er schwankte kräftig hin und her, aber niemand legte sich mit dem ›Pusher‹ an, nicht einmal, wenn er aussah wie ein Junkie, fahl und grau und sehnig. Selbst mitten in der Nacht trug er noch diese bescheuerte Sonnenbrille. Also ließ ich ihn einfach nach Hause taumeln; da würde er kotzen und dann seinen Rausch ausschlafen.
    Nad war in ziemlich üblem Zustand. Zu betrunken, zu verängstigt; er murmelte vor sich hin, die Augen weit aufgerissen. Ich dachte, ich sollte ihn wohl besser nach Hause bringen, um sicher zu gehen, dass ihn niemand aufmischte – Ganovenehre und so, zumindest, wenn der andere Ganove auch ein echter Freund war. Nad und ich, wir hatten schon einiges zusammen erlebt. Wir waren alt genug, um uns an bessere Zeiten erinnern zu können: Eine Zeit, in der es das System noch nicht gegeben hatte, eine Zeit, in der es noch keinen Einheitsrat gegeben hatte, keinen System-Sicherheitsdienst. Diesen ganzen Scheiß eben. Wir konnten uns daran erinnern, dass unsere Dads echte Jobs gehabt hatten. Keine guten Jobs, aber doch richtige Jobs. Ich wusste ja nicht, wie viel mir Nads Freundschaft wert wäre, wenn es hart auf hart käme, aber scheiß drauf! Ich brauchte ihn ja bloß nach Hause zu bringen- Das war’s auf jeden Fall wert.
    Es war spät. Die ganzen Normalos schliefen längst. Nur Nad und ich waren noch auf der Straße, stapften mit heftiger Schlagseite immer weiter. Wir kannten uns hier aus, und auch wenn uns das nicht helfen würde, falls irgendjemand uns eine Kugel verpassen wollte, würden wir es zumindest noch mitbekommen, so besoffen wir auch waren. Als wir dann plötzlich hinter uns ein Geräusch hörten – das Scharren eines schweren Stiefels –, war ich eher genervt als irgendetwas anderes. Ich war müde, und jetzt wieder die ›Hartgesottenen-Miene‹ aufzusetzen, erforderte richtige Anstrengung.
    »Verzieh dich, du Spinner«, grollte ich über die Schulter hinweg und stieß Nad währenddessen weiter, damit er bloß nicht stehen blieb. »Sonst reiß ich dir den Arsch auf.«
    Immer und überall musste man den harten Mann spielen. Das hörte einfach nicht mehr auf. Nie durfte man weich werden, nicht einen

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