Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
geworden waren. Ich hatte natürlich keinerlei Grund, diesen Mönch zu fürchten, und doch ergriff mich eine völlig unerklärliche Angst, vergiftete mich regelrecht, während ich so dort stand. Doch ich schrieb mein langes Leben nicht zuletzt meiner Fähigkeit zu, niemals Furcht zu zeigen – also scheiß auf diesen verdammten Haufen aus Schaltkreisen und Schönheitschirurgie!
    Der Cyborg blieb stehen. Bei einem Menschen hätte ich darin ein Zeichen der Schwäche gesehen, ein Zögern. Doch der Mönch analysierte vielleicht einfach nur neue Daten, oder er nahm sich die Zeit, noch ein paar weitere Computerberechnungen anzustellen. Es handelte sich nur um einen Mönch; es gab keinerlei Grund, sich Sorgen zu machen. Ich, ich bringe Leute um. Da braucht man gar nicht lange drum herum zu reden: Das mache ich nun mal. Diese Mönche hingegen laberten einen einfach so lange zu, bis man vor Langeweile tot umfiel.
    Plötzlich durchzuckte mich eine Erinnerung: Irgendein Glückspilz, der aus einer Bar gerannt kam, in der gerade eine Razzia stattfand. Irgendwie gelang es ihm, an Dutzenden von Sturmtruppen und System-Bullen vorbeizuspazieren und in die Nacht zu entkommen. Und dabei war er an drei Mönchen vorbeigekommen. Eine Handbewegung, soweit entfernt, dass ich sie nicht hatte erkennen können, und der Glückspilz verschwand einfach.
    Ich nahm mich zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Mein Verstand erklärte mir weiterhin, von diesem Mönch ginge überhaupt keine Gefahr aus, von keinem von denen, doch mein Bauch sagte mir, das hier sei ein echter Kampf, und ich wusste genau, wie man mit solchen Situationen umgehen musste. Ich rührte mich nicht. Ich hatte kein übermenschliches Reaktionsvermögen, und jede Bewegung verriet dem Gegner nur, was man wohl vorhaben mochte. Völlig reglos stand ich dort und schaute diese Maschine an. Nad begann wieder, vor sich hin zu murmeln.
    Als der Mönch sich schließlich bewegte, geschah das schneller, als ich es jemals für möglich gehalten hatte, doch ich war bereit – selbst wenn ein Teil meines Verstandes sich vor Überraschung fast verschluckte. Der Cyborg hob die Hände, und in jeder hielt er eine Automatik. Die Waffen schimmerten, als seien sie feucht. Die Kutte des Mönchs bauschte sich in einem Windstoß – doch der Cyborg selbst blieb sonderbar still. Man hörte kein angestrengtes Stöhnen, kein Triumphgeschrei, kein gar nichts. Als würde man ein Vid anschauen, bei dem der Ton abgedreht war.
    Die meisten glauben ja, das Beste, was man tun könne, wenn jemand eine Waffe auf einen richtet, wäre es, sofort zur Seite zur springen, aber das funktioniert so nicht. Ein geduldiger Revolverheld, ein erfahrener Revolverheld, zieht nicht einfach die Waffe und schießt drauflos. Er verfolgt jede Bewegung seines Opfers und wartet auf den bestmöglichen Augenblick, den Abzug durchzuziehen. Man schießt nicht auf die Stelle, an der sich das Opfer befindet: Man schießt auf die Stelle, an der es sich befinden wird. Blindlings drauflosschießen macht man nur, wenn man wirklich verzweifelt ist. Ich hingegen neigte dazu, meinen Kopf zu benutzen. Das war der einzige Grund dafür, dass ich überhaupt noch lebte.
    Ich sprang ein Stück weit vor, riss Nad mit zu Boden. Das ist normalerweise das Letzte, was so ein Revolverheld erwartet, und damit verschafft man sich eine oder zwei Sekunden Aufschub. Bei anderen Gegnern reichen eine oder zwei Sekunden oft schon aus, um den Spieß umzudrehen. Beim Mönch hingegen bedeutete das nur, dass Nad zweimal genau in die Brust getroffen wurde, während er noch auf mich herabstürzte.
    Die einzige Chance, die ich überhaupt noch hatte, das hier zu überleben, bestand darin, immer in Bewegung zu bleiben. Aber Nad, der leblos auf mir lag, war ein verdammt schwerer Brocken, und als ich versuchte, nach links abzurollen, hinderte mich sein kräftiger Körper daran. Als ich mich endlich von ihm befreit hatte – ich war von seinem Blut überströmt, und jede Menge Unrat und Steinchen von der Straße klebten an meiner durchweichten Kleidung –, rechnete ich fest damit, nun jeden Augenblick den Kopfschuss zu kriegen – nur dass es natürlich kein Kopfschuss werden würde. Die brauchten ja schließlich das Gehirn. Ich keuchte, versuchte auf die Beine zu kommen, riss mir am Asphalt einen Fingernagel ab, steh auf, steh auf wäre ich der Mönch gewesen, hätte ich in der Zeit, die ich brauchte, um endlich Deckung zu finden, mindestens drei Schüsse abgeben können.

Weitere Kostenlose Bücher