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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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selbst erlebt: Damals war Kev Gatz neu in der Gegend gewesen, ein mageres, aggressives Arschloch. Wie praktisch jeder andere auch hatte ich mich rasch entschlossen, ihm eine ordentliche Lektion zu erteilen – man musste immer als Erster zuschlagen, damit niemand einen für übermäßig weich hielt. Als ich mich also auf ihn stürzen wollte, nahm er einfach nur die Sonnenbrille ab, und als er mich dann ansah, breitete sich in mir plötzlich diese friedvolle Ruhe aus. Auf einmal hatte es mir völlig ausgereicht, Kev einfach nur anzustarren. Ich hatte überhaupt nichts mehr gefühlt, hatte nichts mehr gewollt, hatte nicht mehr gedacht – ich war einfach nur da.
    Man musste Kev zugutehalten, dass seine Rache nicht allzu grausam ausgefallen war: Er schickte mich nur davon – nachdem er mir mein ganzes Geld abgenommen hatte – und gab mir eine Aufgabe mit auf den Weg. Ich musste einhundert Mal schreiben: Ich werde nie wieder versuchen, Kev Gatz aufzumischen. Ich war bei Zeile dreiunddreißig angekommen, als die Wirkung endlich nachließ, und so hörte ich mitten im Wort versuchen auf und kniff erstaunt die Augen zusammen. Mit einem Mal fiel mir alles wieder ein. Dieser Dreckskerl – ich musste lachen, und als ich ihm das nächste Mal begegnete, musste ich zugeben, dass ich zwar entsetzliche Angst davor hatte, ihm jemals wieder in die Augen zu blicken, selbst wenn es nur zufällig gewesen wäre, aber ansonsten gefiel es mir richtig gut, dass er mich zum Lachen gebracht hatte.
    Ich setzte mich auf die Couch und legte die Füße auf die Pritsche. Dann zog ich ein paar unschätzbar wertvolle Zigaretten aus der Tasche und bot Kev eine an. Schweigend griff er danach und klemmte sie sich hinter das Ohr. Dann ließ er sich wieder auf sein Bett fallen, gleich neben meinen Füßen, und blickte mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm seines Interfaces. »Ach Scheiße, Avery, ich hab noch vierzig Minuten, bis dieser Scheiß-Dutchman wiederkommt.«
    Der Dutchman! Wie er richtig hieß, wusste niemand. Er arbeitete freiberuflich in der Stadt, schlug hier und da ein paar Schädel ein oder spielte Leibgarde für Drogenkuriere. Ganz offensichtlich verfügte er über Implantate, die samt und sonders illegal waren. Wahrscheinlich würde er schon sehr jung sterben. Implantate vom Schwarzmarkt waren fast immer tödlich. Doch im Augenblick war der Dutchman ein regelrechter Berg, der nur aus Muskeln und Zorn zu bestehen schien, und er hatte Kev unmissverständlich klargemacht, dass er, wenn Kev nicht aus der Bude raus war, bevor er nach Hause kam, seinen Mitbewohner aus dem Fenster werfen würde. Schließlich brauchte der Dutchman seinen Schönheitsschlaf.
    »Ich hab Ärger, Kev«, sagte ich und zündete meine Kippe an. »Ich brauche Hilfe.«
    Kev nickte. »Wie viel zahlst du?«
    Immer pragmatisch. So war mein Kev nun mal. Schweigend stellte ich ein paar Berechnungen an. »Vierzig.«
    »Vierzig«, wiederholte Kev. Die Zahl schien ihm zu gefallen. »Und wofür?«
    »Ich muss ’ne Zeit lang aus New York raus, und das könnte ein bisschen schwierig werden. Ich glaube, sowohl der SSD als auch die Cyber-Kirche haben mich im Augenblick auf dem Radar.«
    Gatz schob einen Finger unter seine Brille und kratzte sich am Auge. »Die CK? Diese bescheuerten Plastik-Mönche, die überall in der Gegend herumstehen und ständig erzählen, wie toll es ist, ein mechanisches Gehirn zu haben? Ist das dein Ernst?«
    Ich berichtete ihm die Kurzfassung des Abends, den ich hinter mir hatte. In seiner kleinen Bude war es verdammt heiß; ich spürte, wie mir kleine Schweißrinnsaale über sämtliche behaarten Hautstellen liefen. Hier roch es, als hätten drei ungewaschene Männer sich den gesamten Abend lang einen Wettbewerb im Dauerfurzen geliefert, und ich musste wirklich schwer dagegen ankämpfen, die Luft anhalten zu wollen.
    »Ach du meine Fresse!«, war Gatz’ einzige Reaktion. »Du bist echt im Arsch, Ave. Was denkst du, wie viel Zeit dir noch bleibt?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Gar keine, würd’ ich sagen. Ich muss untertauchen, jetzt sofort. Und ich brauche deine ganz besonderen Talente, damit mir das überhaupt gelingen kann.« Ich atmete aus, ließ den Rauch durch das ganze Zimmerströmen. »Also: beweg dich!«
    »Und was zur Hölle soll ich anstellen, bitte schön? Mich kann man ja wohl kaum als Gorilla gebrauchen, Ave.«
    Dabei war er in gewisser Hinsicht genau das. »Kev, ich brauche dich als Schutzengel. Sorg dafür, dass die Leute

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