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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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zwischen die Beine, gerade kräftig genug, dass Kev vor Schmerzen aufschrie. Dann ließ ich ihn los. »Pass bloß auf, Kev! Behalt die Brille auf, oder du wirst es bereuen, das schwöre ich dir.«
    Ich spürte, dass ich pure Verzweiflung verströmte. Ich hoffte nur, dass Kev, der schon immer ein wenig durch den Wind gewesen war, das für Zorn hielt- oder für einen anderen guten Grund, Angst vor mir zu haben.
    »Jessas, Avery«, beklagte er sich und rieb sich den Hals. »Du hast mir fast die Luftröhre zerquetscht, weißt du das? So was ist doch nun wirklich nicht nötig!«
    Ich holte tief Luft und hob meine brennende Zigarette vom Boden auf; sie hatte einen kleinen, verkohlten Fleck auf dem billigen, durchhängenden Fußboden hinterlassen. »’Tschuldige, Kev. Ich bin halt ein bisschen gereizt.« Ich hatte die normale Hackordnung zwischen Kev Gatz und mir wieder hergestellt, und jetzt kamen wir wieder prima miteinander aus.
    »Jau.« Einen Moment lang starrte er nur auf den Fußboden. »Also? Was brauchst du?«
    »Abgesehen von deinen Glubschaugen? Ich denke, dein Freund Marcel könnte uns ganz nützlich sein. Ich muss verdammt noch mal aus der Stadt raus und dann als irgendjemand anderes zurückkommen. Irgendjemand, den noch niemand kennt.«
    Er blickte zu mir herüber und hob gleichzeitig ein fleckiges Hemd vom Boden auf. »Du willst dir Erweiterungen holen? Wirklich, Avery, ich hätte niemals gedacht, dass du …«
    »›In der Not frisst‹ und so weiter, mi amigo«, gab ich zurück und meinte es ganz ernst. Ich war ja nicht umsonst ein echter Hartgesottener. Aber die Vorstellung hier hatte mich erschöpft. »Machst du das mit Marcel für mich klar?«
    Er nickte. »Okay, Avery. Wir sehen uns heute Abend.«
    Wir besiegelten es mit Handschlag. Schließlich waren wir alte Freunde, der ›Pusher‹ und ich.
    Ich hatte mich noch keine fünf Schritt von dem Gebäude entfernt, in dem Gatz hauste, als mir zwei Cops auffielen, die mir eindeutig folgten: keine Brecher, sondern Elite-Officers in Zivil: arrogant und beunruhigend. Die System-Bullen konnten sich regelrecht unsichtbar machen, wenn sie das wollten -und wenn es einen taktischen Grund dafür gab –, aber oft genug machten die sich gar nicht die Mühe, denn welche Ratte würde es schon wagen, sich mit den mächtigen Officers des SDD anzulegen? In ihren langen, dunklen Mänteln und ihren Anzügen, den hochglanzpolierten Schuhen und der selbstgefälligen Miene hätten die beiden genau so gut Schilder mit der Aufschrift ›Polizei‹ vor der Brust tragen können. Sie sahen richtig wohlhabend aus: ›Menschen in Lohn und Brot‹, die aussterbende Spezies. Außerdem erkannte ich einen der beiden wieder: Einen Blondschopf mit dem ausdrucklosen Gesicht eines echten Soziopathen; den hatte sich schon einmal bei einer Razzia auf der East Side gesehen, auch wenn das schon eine Weile her war. Selbst wenn er damals nie mein Gesicht gesehen hatte, hätte er mich doch beinahe umgebracht.
    Ich prägte mir ein, dass die beiden da waren und ging einfach weiter, immer schön langsam. Schließlich war das die beste Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass man genau wusste, wo sich die Scheiß-Cops gerade herumtrieben. Innerlich ging ich durch, welche Möglichkeiten mir offen standen: keine. Die würden zu mir kommen, und ich würde mir das gefallen lassen müssen. Jede Faser meines Körpers wollte nur noch wegrennen, und ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht genau das zu tun. Was auch immer die beiden mit mir vorhaben mochten, es würde eine Zeit lang dauern, denn System-Bullen gingen stets sorgfältig und grausam vor.
    »Avery Gates«, sagte der hochgewachsene Blonde. »Der berühmte Revolverheld. Haben Sie eine Minute Zeit?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Für den SSD doch immer, Officer.« Sie alle konnten es überhaupt nicht leiden, mit Officer angesprochen zu werden.
    Der Blondschopf grinste. Sein Blick zuckte hierhin und dorthin; er wirkte unruhig. Eigentlich bewegten sich seine Augen gar nicht, aber es schien auch nicht, als blicke er irgendetwas gezielt an. Und außerdem waren sie so leuchtend stahlblau, dass ich mich unweigerlich fragte, ob seine Eltern da wohl mit ein paar illegalen Erweiterungen nachgeholfen hatten. Sein Partner war fett und deutlich kleiner; ein ungepflegter Stoppelbart bedeckte sein Gesicht – typisch für besonders faule Individuen. Aus Augen, die wie tot wirkten, blickte er mich ruhig an.
    »Captain Barnaby Dawson«, fauchte der Blondschopf.

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