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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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genau, dass ich innerhalb der nächsten Minuten auf sämtlichen Vids zu sehen sein würde. Ich schloss die Augen und dachte mit ruhiger, hoffnungsloser Zufriedenheit: Ich bin im Arsch.

VII
    Ein Grinsen wie eine Sonne,
    die mir auf den Schädel brannte
     
    00101
     
     
    Ein echtes Verhörzimmer hatte ich noch nie von innen gesehen. Alles darin war grau. Wirklich alles. Nach ungefähr zehn Minuten fragte ich mich, ob ich wohl gerade erblindete. Ich war völlig ausgehungert und hatte das Gefühl, ich müsse schon ganz ausgemergelt aussehen. In der Luft hing ein fast unhörbar leises Summen, aber immer, wenn ich mich darauf konzentrierte, schien es einfach aufzuhören.
    Lange Zeit ließen die Cops mich da einfach sitzen: ganz allein mit meiner Tasse Kaffee. Ich wusste nicht, was die gerade mit Gatz anstellten, und ich machte mir auch nicht allzu lange darüber Gedanken. Der Kaffee verwirrte mich! Ich hatte seit Monaten keinen echten Kaffee mehr getrunken, und allein schon vom Geruch bekam ich Magenschmerzen. Noch nie hatten mich die System-Cops aufgegriffen, ohne mich anschließend auch zusammenzuschlagen.
    Als die Tür sich fast lautlos öffnete, kam auch nicht die Trottelbrigade herein, die ich erwartet hatte. Stattdessen betrat ein einzelner Mann den Raum. Klein, gut gekleidet, mit einer todschicken Sport-Sonnenbrille. Er bewegte sich auffallend ruckartig. Und er lächelte. Mit raschen Schritten betrat er das Zimmer und ging immer weiter, bis er genau vor mir stand. Dann streckte er die Hand aus.
    »Avery Cates, es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Richard Marin, Leiter der AIA. Nennen Sie mich doch einfach Dick.«
    Immer noch grinste er. Richtig unheimlich. Lange starrte ich nur wortlos zu ihm auf; schlaff hing mein Kiefer herab, meine Augen waren so trocken, dass sie brannten.
    »Üblicherweise schüttelt man eine Hand, die einem entgegengestreckt wird, Mr Cates, selbst wenn es die eines Polizisten ist«, merkte Marin an. »Und ich bin in Eile; ich muss gleich in Delhi an einer Unterausschusssitzung des Einheitsrates teilnehmen.«
    Ich beugte mich vor und schüttelte meinem Gegenüber schwach die Hand. Das war der gottverdammte Oberschnüffler, und jetzt saß ich hier, schüttelte ihm die Hand und trank Kaffee. Plötzlich hatte ich das Gefühl, auf Wolken zu schweben. In meinen Ohren rauschte das Blut.
    »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Cates.« Unruhig ging Marin auf und ab. »Schauen wir mal, ob ich das alles richtig im Kopf habe: Avery Cates, siebenundzwanzig Jahre alt, geboren in Old Brooklyn, etwa fünf Jahre vor der Vereinigung. Ein wenig Ausbildung, aber nicht sehr weitgehend – rein formal, meine ich jetzt. Kurzes Vorstrafenregister, in jungen Jahren ein paar Einbrüche, auch ein paar dickere Dinger … und dann überhaupt nichts mehr.« Ruckartig drehte er sich zu mir um und warf mir ein unruhiges Grinsen zu. »Zumindest nichts, das irgendwo formal vermerkt worden wäre. In Wirklichkeit ist Mr Cates natürlich ein richtig netter Auftragskiller geworden, nicht wahr? Hat zu Hause auch einen Schrein zum Andenken an Cainnic Orel und so weiter und so fort.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie jemals den berühmtesten Revolverhelden der Welt in einem dieser Räume gehabt haben, Marin«, gab ich schwächlich zurück. Je älter ich wurde, desto öfter dachte ich an Canny Orel, einfach bloß, weil ich selbst hoffte, irgendwann einmal alt zu werden. Es hieß, er sei schon vor der Vereinigung als Revolverheld tätig gewesen. Auch wenn er in Philadelphia geboren war, hatte er angeblich später während der Freiheitskämpfe der irischen Regierung geholfen – er hatte für die irische Untergrundorganisation ›Saoirse‹ gearbeitet und dabei mehrere der ersten Mitglieder des Einheitsrates umgebracht. Als Irland sich schließlich doch den Kampfeinheiten der Vereinigung ergab und vom System verschlungen wurde, hatte Orel das überlebt und die Dünmharü gegründet. Und so war er reich und berühmt geworden und hatte sich schließlich zufrieden zur Ruhe gesetzt. Das erzählte man sich zumindest.
    Ich konnte mich noch gut daran erinnern, dass die Vereinigung alles andere als einfach gewesen war. Damals hatte es überall nur Krieg gegeben, dauernd explodierten irgendwo Bomben, ständig wurden hohe Tiere umgebracht, und erst nachdem man den SSD gegründet hatte und dessen Arbeit großzügig finanzierte, wurde es ein wenig ruhiger. Von der eigentlichen Vereinigung, dem letzten hart umkämpften Jahr, waren

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