Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
schwerfallen –, Sie gehen irgendwann abends nach Hause. Ein Mönch taucht auf, und das Nächste, was Sie wissen, das ist, dass Sie aufwachen, gefangen in einem Körper aus Metall und Silicium. Sämtliche Ihrer höheren Hirnfunktionen werden durch einen Schaltkreis geleitet und abgefangen. Sie versuchen sich zu bewegen, doch es geschieht nicht. Sie versuchen zu sprechen, doch die Worte, die sie hören, sind nicht Ihre eigenen. Man hat Ihr Gehirn lediglich intakt gelassen, damit Sie sämtliche Identifikationsprozeduren überstehen. Denken Sie darüber einmal nach, Mr Cates.«
Das wollte ich nicht. Stattdessen dachte ich nur darüber nach, wie ich aus diesem Verhörzimmer herauskommen konnte, zurück in eine Welt, in der es Farben und Nuancen gab. Erneut räusperte ich mich, und als das den Verrückten nicht sofort wieder dazu bewog, wie bescheuert durch die Gegend zu springen, versuchte ich mich an einem ganzen Satz.
»Was genau wollen Sie eigentlich von mir, Mr Marin? Ich habe das Gefühl, nicht ganz in Ihrer Liga zu spielen.«
Marin nickte. »Was ich von Ihnen will? Mr Cates, ich will Sie anheuern.«
Wieder kniff ich die Augen zusammen. Dieser Dreckskerl war völlig wahnsinnig. Dieser verrückte kleine Scheißer herrschte über die ganze Welt. »Als Revolverhelden?«
»Natürlich nicht, Mr Cates. Sie würden sich von ganz alleine dafür entscheiden, das eine oder andere zu unternehmen, und das hätte für Sie dann einige unerwartete Vorteile, die sich, nach ausgiebigen Untersuchungen – die zweifellos mit Gefahr für Leib und Leben verbunden wären – tatsächlich zum SSD zurückverfolgen ließen. Nicht zu mir persönlich, nur damit das absolut klar ist, sondern zum System-Sicherheitsdienst im Allgemeinen. Sie werden den Auftrag übernehmen, weil er lukrativ ist, und weil ich Sie umbringen lassen kann, einfach indem ich Ihren Fall weiterverfolge. Sie sind ein Cop-Killer, Mr Cates. Ich bin der Einzige, der Sie vor einer Hinrichtung bewahren kann. Aber wenn Sie diesen Auftrag annehmen, dann wird nicht nur Ihre Verwicklung in die Morde an den Officers Janet Hense, Jack Hallier und Miguel Alvarez weiterhin geheim bleiben, man wird Sie sogar noch bezahlen.«
Er hielt inne und grinste mich einfach nur an. Scheiß auf dieses Verhörzimmer, es war das Grinsen dieses Dreckskerls, das mich völlig fertig machte. Ich wusste, ich würde innerhalb kürzester Zeit zusammenbrechen, wenn der einfach nur hier säße und mich immer weiter angrinste, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt wie bei so einer Scheiß-Bauchredner-Puppe. Ich verspürte das fast übermächtige Bedürfnis, sein Grinsen zu erwidern, und ich wusste, wenn ich damit einmal anfangen würde, könnte ich nie wieder aufhören.
»Sie wollen meine Akten säubern? Bei Morden an drei Polizisten?«
Marin erschauerte, es war ein kaum wahrnehmbares Vibrieren, das innerhalb einer einzigen Sekunde seinen ganzen Körper durchlief. »Kollateralschäden, Mr Cates. Ob nun drei Cops draufgegangen sind, ist mir doch völlig egal – solange Sie das hier durchziehen.«
Ich leckte mir über die Lippen, und schon wieder wirbelte Marin herum, wandte sich dieses Mal von mir ab. »Ich habe auch noch ein paar andere für diesen Job angeheuert. Da draußen sind eine ganze Menge Revolverhelden unterwegs, Mr Cates, und ich habe in den letzten Monaten einige von denen eingestellt. Die meisten sind sogar deutlich erfahrener als Sie, glaube ich. Jetzt sind sie alle tot – bei einigen kann man das allerdings nur vermuten, denn die dazugehörigen Leichname sind bislang nirgends aufgetaucht. Jetzt sehe ich mich also gezwungen, mich auf ein etwas niedrigeres Niveau herabzulassen, und da kommen Sie ins Spiel: Sie stehen in dem Ruf, wirklich gut zu sein, rein körperlich gesehen, und dabei cleverer als die meisten anderen. Ich habe mir Ihre Akte genau angeschaut.«
Auf dem Schirm hinter ihm erschienen jetzt flackernd die Berichte der verschiedenen Festnahmen – fünfzehn Jahre meines Lebens, zusammengefasst in zahlreichen Dreiteilern.
»Sie sind wirklich clever, Mr Cates, aber irgendetwas bringt Sie dazu, sich immer ein wenig zurückzuhalten, oder täusche ich mich da? Sie erfüllen Ihre Aufträge und halten sich immer an die Regeln – da draußen auf der Straße vertraut man Ihnen. Und das ist heutzutage sehr selten. Die Kriminellen fürchten einander, sie haben Respekt vor der Gewalt, die jemand anderes einzusetzen bereit ist, aber wir finden nur sehr selten irgendwelche Kriminelle,
Weitere Kostenlose Bücher