Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
der Dutchman auf. » Ya, ya.«
»Gut.« Es folgte eine zweite Explosion, dann ein zweiter heißer Windstoß. Ich blinzelte den beiden Kurieren zu. »Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen!«
Alles stand in Flammen. Jedes fünfte Haus in der Nähe des abgewrackten alten Hotels brannte, und die meisten dieser Gebäude hatten schon in vorangegangenen Ausschreitungen den einen oder anderen Brandschaden davongetragen.
»Warum müssen die immer alles abbrennen? Jedes Mal, wenn irgendwo etwas außer Kontrolle gerät, wollen die Leute alles Mögliche anzünden! Wir haben hunderttausend Jahre gebraucht, um so weit zu kommen, und die wollen das immer im Laufe eines einzigen Nachmittags ruinieren.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nichts davon gehört denen. Irgendetwas anzuzünden, das hat für die doch bloß einen netten Unterhaltungswert.«
Marcel war ein untersetzter Mann, bei dem sich nicht erahnen ließ, woher er ursprünglich stammte; er war so sehr daran gewöhnt, gefunden und einfach angesprochen zu werden, dass er nicht mal mit der Wimper zuckte, als ich aus dem Abwasserkanal am Ende der Straße herauskletterte und dann das Hotel betrat, in dem er lebte. Die reich verzierte Lobby hatte er zu seinem Hauptquartier umfunktioniert, und es sah aus wie an irgendeinem gottverdammten Hof eines orientalischen Potentaten: Rings um ihn herum lagen träge Leute und wirkten unendlich gelangweilt. Sie alle waren jung, gut aussehend und schwer bewaffnet. Höflich waren sie auch noch, und sie hatten offensichtlich sogar ein paar Brecher auf ihrer Gehaltsliste, die hier und dort herumstanden und sich sichtlich unwohl fühlten. Abgesehen von den Brechern hatten sich alle hier reichlich Schönheits-Erweiterungen verpassen lassen, die Männer ebenso wie die Frauen, und alle trugen seidige Gewänder. Niemand sah auch nur ansatzweise gefährlich aus. Und genau das brachte mich zu der Vermutung, dies könne ein guter Grund sein, sie sehr wohl für gefährlich zu halten.
Marcels Leute hielten mich nicht davon ab, mich ihm vorzustellen, und ungefähr fünf Minuten lang quatschte er geradezu begeistert mit mir über alles Mögliche: Über das Wetter, die Massenexekutionen durch den SSD, die er vor seinen Fenstern hatte miterleben müssen, und darüber, dass heutzutage niemand mehr wusste, wie anständige Ausschreitungen auszusehen hatten.
Von Gatz hatte ich ein wenig über Marcel erfahren, und ich hatte auch hier und dort noch einiges über ihn aufgeschnappt, aber es gab wahrscheinlich tausend solcher unternehmen in New York. Sie alle hielten sich für den gottverdammten Paten persönlich und kamen normalerweise eher früher als später ums Leben. In den Gerüchten auf der Straße war Marcel zum ersten Mal vor ungefähr einem Jahr aufgetaucht. Er war massig, hatte auffallend träge Augen, die ständig halb geschlossen waren, und seit ich eingetroffen war, hatte er sich noch keinen Zentimeter von dem Polstersessel fortbewegt, in dem er es sich bequem gemacht hatte.
»Also, Mr Cates – der Sie ein so guter Freund von Kev Gatz sind, dass Kev Sie mir gegenüber noch kein einziges Mal erwähnt hat –, ich weiß natürlich zu schätzen, dass Sie mir unter derart extremen Bedingungen einen freundschaftlichen Besuch abstatten, aber was kann ich für Sie tun?«
Ich nickte. »Ich bin zu Ihnen gekommen, um mir einen Gefallen von Ihnen zu erbitten.«
Die Schweinsäuglein meines Gegenübers weiteten sich -kaum merklich –, dann ließ er sich wieder entspannt in seinem Sessel zurücksinken. »Einen Gefallen, Mr Cates? Alima, Schätzchen, überprüf doch mal Mr Cates’ Kreditwürdigkeit, während er mir seine Leidensgeschichte erzählt.«
Mit katzenartiger Anmut stand eine Frau auf, deren Aussehen mich vermuten ließ, sie stamme aus dem Nahen Osten, und verschwand im Inneren des Hotels.
»Ich will damit nicht sagen, dieser Gefallen sei für Sie nicht lukrativ«, setzte ich rasch hinzu und mühte mich nach Kräften, mein Gegenüber weiterhin gewinnend anzulächeln und dabei gleichzeitig auch noch ruhig und unerschütterlich zu wirken. Es war anstrengend. »Aber das wird nicht sofort geschehen. Langfristig biete ich Ihnen einen durchaus angemessenen Preis. Das Doppelte eines angemessenen Preises.«
Marcel blickte mich nachdenklich an. »Mr Cates, man hört Ihren Namen in letzter Zeit immer wieder, deswegen glaube ich gerne, dass Sie einen richtig dicken Fisch an der Angel haben. Okay. Nehmen wir an, auf Sie warte früher oder später ein
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