Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
dünner fusseliger Bart herab. Die beiden schlurften vor dem wackeligen Metalltor hin und her, das man quer über der Eighth Avenue aufgestellt hatte. Als ich näher kam, blickten sie mich in einer Art und Weise an, die sie wohl für ›hartgesotten‹ hielten. Der Wind umtoste uns, ein unablässiges Stöhnen, trocken und ohne jeden Staub. Der ganze Schnee war ein zusammengeballter, gelber und irgendwie an Gelatine erinnernder Brei, der an allem und jedem klebte und dafür sorgte, dass die ganze W 7 elt völlig verrottet wirkte.
    »Avery«, sagte der größere der beiden, als Jabali und ich vor ihnen stehen blieben. Ich trug meinen Anzug für besondere Anlässe, den ich immer nur dann anlegte, wenn es mir darum ging, meine Geschäftspartner mit meinem Wohlstand und meinen Geschäftserfolgen zu beeindrucken. Ärmel und Hosenbeine waren zwar ein wenig zu weit, aber es ging trotzdem. Der Anzug sah teuer genug aus. Wenn man nach Uptown ging, um sich mit Zivilisten abzugeben, dann zahlte es sich immer aus, vernünftig auszusehen. Ich hatte auch Jabali so fein gemacht, wie das nur ging – was nicht allzu viel hieß. Wenn er allerdings den Mund hielte, würde auch er mit der Schnieke-Nummer durchkommen.
    Über Nacht hatte die Anzahl der Checkpoints rekordverdächtig zugenommen, und der SSD hatte sämtliche Brecher der Reserve eingezogen. Alle taten jetzt aktiven Dienst. New York erschien mir sonderbar, irgendwie ausgedünnt. Als wir am Morgen die Hudson Street hinaufgeschlendert waren, hatte man dort reichlich Ellbogenfreiheit gehabt, und die Leute, die sich immer noch durch den sauren Schnee und diese feuchte Luft schleppten, die jeden Laut zu dämpfen schien, bewegten sich hastiger als sonst. Sie schienen so rasch vorankommen zu wollen, wie ihnen das nur möglich war. Die ersten Gerüchte über eine Krankheit machten schon die Runde, und so blieben die Leute zu Hause. Ich hatte auch schon ein paar Leichen gesehen, einfach hier und dort mitten auf der Straße zusammengebrochen. Sie alle sahen aus, als hätten wilde Tiere sie zerfleischt. Die dunkelblauen Schwellungen an Hälsen und Armen waren aufgeplatzt und blutüberströmt, und niemand traute sich nahe genug an sie heran, um sie von der Straße zu schaffen.
    »Officer Stanley«, sagte ich zu dem hageren Brecher und nickte. »Und Mongo!«
    Der mondgesichtige Mann reagierte kaum, blinzelte nur kurz. Ich hob eine Augenbraue und schaute Officer Stanley an. »Der SSD spart wirklich keine Kosten und Mühen beim Rekrutieren, was?«
    Stanley wandte den Kopf zur Seite und spuckte auf die Straße, nur wenige Zentimeter neben meine Schuhe. »Pook kann ganz schön flink auf den Beinen sein, wenn man ihm einen guten Grund gibt. Hast du Uptown zu tun, Avery? Gerade gestern noch habe ich deinen Namen auf einer Wichtig-wichtig-Liste gesehen, weißt du.«
    Ich nickte und blickte ihn dabei so ernst an, wie ich das nur konnte. »Ich habe einen Geschäftstermin«, sagte ich. »Rechnet ihr etwa mit Schwierigkeiten, Jungs?«
    Ich erinnerte mich, dass vor dreizehn Jahren allgemeine Angst vor irgendeinem Virus oder so etwas geherrscht hatte. Es hatte sich dann herausgestellt, dass es eine brasilianische Grippe gewesen war. Hatte bloß ein paar Tausend Leute das Leben gekostet, und die meisten von denen waren schon vorher übel angeschlagen gewesen. Aber einige Tage lang hatte sich wirklich jeder irgendwo verkrochen oder war nur mit einer von diesen lächerlichen Gesichtsmasken ins Freie getreten. Und jeder hatte Abstand zum Nächsten gehalten. Ich erinnerte mich noch daran, wie ich während dieser Zeit einen neuen Auftrag ausgehandelt hatte – quer über die Straße. Ich hatte meinem Kunden alle wichtigen Informationen zubrüllen müssen, weil er sich weigerte, näher zu kommen.
    Das hier allerdings fühlte sich noch viel schlimmer an. Namen schossen mir durch den Kopf: Candida Murrozu – sie ist auf sehr … ungewöhnliche Art und Weise gestorben. Gleason – sie tot. Wa auch. Und Pickering. Was auch immer das hier nun sein mochte: Ich hatte das Gefühl, dass es mit meinen Leuten angefangen hatte. Mit mir selbst -etwa zu dem Zeitpunkt, da ich in Newark auf dem Boden gekniet hatte, eine Schusswaffe an der Schläfe … und man mich nicht erschossen hatte. Ich hatte in meinem Leben genug schlechte Dinge getan; der Kosmos musste mich also auf der Abschussliste haben, gar keine Frage. Aber warum war ich nicht krank geworden? Warum war ich nicht tot? Dieser ganze Scheiß ergab doch überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher