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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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wie ein echter Schläger. Das lag an seinem Gang man mochte ihn in einen anständigen Anzug stecken, aber der Kerl bewegte sich immer noch wie ein Verbrecher. Es war diese sonderbare Mischung aus großspurigem Stolzieren und paranoidem Herumgehusche. Aber er sah gesund aus, ganz normal. Ich hatte das sonderbare Gefühl, als befinde er sich irgendwie in einem widernatürlichen Stillstand – wie unmittelbar vor einem Gewitter, wenn man die Elektrizität in der Luft schon spüren kann, es aber noch nicht angefangen hat. Ich blickte immer wieder zu ihm hinüber. Ich rechnete damit, jeden Moment plötzlich eine Schwellung an seinem Hals auftauchen zu sehen, so wie ich das Downtown schon erlebt hatte.
    Er bemerkte, dass ich ihn anschaute, und lächelte nervös. Bei der zugehörigen Kopfbewegung wackelte sein Haar hin und her. »Hab das Gefühl, als würde mich hier jeder anstarren, Boss«, sagte er und streifte sich den Mantel über.
    Ich nickte. Es gab viele, die nicht damit zurechtkamen, sich Uptown aufzuhalten. Schließlich hatte man gelernt, auf eine bestimmte Art und Weise zu leben. Man hatte gelernt, sich nichts gefallen zu lassen und sich durch nichts und niemanden abschrecken zu lassen. Jeden Tag aufs Neue führte man den gleichen Tanz auf den, immer der härteste Bursche zu sein, egal in welcher Gesellschaft man sich auch befand, ganz egal was passierte. Und mit einem Mal wurde es schwierig, sich wie ein ganz normaler Zivilist zu benehmen. Ein paar von uns konnten es einfach nicht. Ich kannte richtige Killer, die für nichts in der Welt weiter als bis zur Twenty-third Street gehen würden, einfach weil sie nicht mit den Blicken zurechtkamen, die sie sich dort unweigerlich einfangen würden.
    Terries lebte in der Gegend der Fiftieth Street, einer wirklich piekfeinen Ecke. Während wir uns also einmal quer durch die Stadt trollten, wurde meine Gänsehaut immer heftiger: Alle hier waren so sauber, so aufgestylt, und das Sonderbarste an allem war dieses allgegenwärtige Stimmengewirr. Alle redeten miteinander und machten sich nicht einmal die Mühe, es irgendwie zu verbergen, alle lachten, riefen wild durcheinander. Nie zuvor wäre ich auf die Idee gekommen, Downtown als leise zu beschreiben. Aber während wir weitergingen, hatte ich zunehmend das Gefühl, wirklich jeder hier würde einfach in der Gegend herumbrüllen. Mir lief der Schweiß über das Gesicht, die Haare standen mir zu Berge. Ich lebte davon, gottverdammtnochmal leise zu sein. Lärm bedeutete Tod – zumindest da, wo ich herkam.
    »Hamse mal ’n Yen?«
    Ich schrak zusammen; eine Hand zuckte unwillkürlich zur Waffe, bevor ich mich wieder beherrschen konnte. Der Mönch wackelte unmittelbar vor mir hin und her, eines seiner Beine war schwer beschädigt. Mit einem alten Bleirohr hatte man es behelfsmäßig geflickt. Die Kleidung, die der Cyborg trug, war völlig zerschlissen, doch sein weißes Plastikgesicht war immer noch makellos: sauber und ohne jede Schramme. Wie ein Mond schien es vor mir in der Luft zu hängen. Wir befänden uns im Freien, mitten auf einer Straße, die sich hier deutlich erweiterte. Es gab hier so viel Platz, dass mir davon richtig schwindelig wurde. Zu unserer Rechten ragte eine Kirche auf, zwei scharfkantige, spitz zulaufende Türme, die sich dem Himmel entgegen reckten, drei riesige Portale, umfasst von dreieckigem Mauerwerk. Das Gebäude war unglaublich groß, uralter Stein, von Vogelscheiße bedeckt und von unfassbar vielen Rissen durchzogen: Das Wetter schien dem Stein immens zuzusetzen. Dämlich blinzelte ich mein Gegenüber an, während wir weitergingen und den Cyborg so vor uns hertrieben. Fünf oder sechs weitere Mönche saßen auf den Treppenstufen vor dem Eingang der Kirche, zusammengekauert wie Vögel.
    Seit Jahren war ich keinem Mönch mehr so nahe gekommen. Die Maschine hatte das freundlichste Lächeln aufgesetzt, zu dem sie in der Lage war – was nicht viel hieß –, und hielt auf magische Weise das Gleichgewicht, während sie auf ihrem angeschlagenen Bein rückwärts weiterhüpfte. Der Mönch blickte erst mich an, dann Jabali, dann schaute er wieder zu mir, und ich verspannte mich innerlich. Die Mönche waren mit optischen Gesichtserkennungs-Schaltungen ausgestattet, und als sie noch mit dem Netzwerk der Cyber-Kirche verbunden gewesen waren, hatten sie einen nur kurz anschauen müssen, um dann den Namen und sämtliche Informationen herunterrattern zu können, die über einen verfügbar waren. Die Cyber-Kirche gab

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