Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
habe so etwas noch nie erlebt. Ich hätte wissen müssen, dass ausgerechnet ein wildes Tier wie Sie alles zerstören würde! Sie leben in der Scheiße. Sie fressen Scheiße, Tag für Tag! Sie sind von Kopf bis Fuß damit besudelt, und Sie verbringen den ganzen Tag damit, sich darin zu suhlen!«
Ich nickte. »Eine Krankheit«, sagte ich. »Eben eine Seuche.«
Terries stieß ein bellendes Lachen aus. »›Eine Krankheit‹, sagt er!« Wieder schaute er mich an, jetzt viel entspannter. »Mr Gates, an dem, was hier gerade geschieht, ist überhaupt nichts Natürliches. Kommen Sie! Sie sind hier. Wir haben noch ein paar Stunden Zeit, bis wir alle tot sind. Wir sollten diese Zeit nutzen. Vielleicht können Sie uns ja tatsächlich doch noch nützlich sein. Oder sind Sie so ein Tier, dass Sie überhaupt nichts anderes kennen als nur Leute zu bedrohen und zu erschießen?«
Ich biss die Zähne zusammen. »Dr. Terries …« Ich stockte. Was gab es denn noch zu sagen? Also riss ich mich zusammen und nickte dann. »Gehen wir.«
Er lächelte und erhob sich so langsam aus dem Sessel, als wäre er unendlich erschöpft. »Eine Etage tiefer habe ich ein Labor. Ein Privataufzug bringt uns dorthin. Sie können alle Vorsichtsmaßnahmen treffen, die Sie nur wünschen.«
Auch die Fahrstuhlkabine war weiß, und als die Türen sich hinter uns geschlossen hatten, waren nicht einmal mehr Fugen zu erkennen. Die Illusion war perfekt: Man konnte glauben, sich in einem völlig geschlossenen weißen Kubus zu befinden. Plötzlich fühlte ich mich unerträglich eingeengt, regelrecht klaustrophobisch, und trank in gierigen Schlucken noch mehr von diesem Gin. Wie ich mir gedacht hatte, spürte ich keinerlei Wirkung. Als die Aufzugtüren sich dann plötzlich wieder öffneten, war ich regelrecht erstaunt.
Im Labor sah es schon besser aus. Es herrschte völliges Chaos. Das Labor war hell erleuchtet, und die Wände hatten das gleiche strahlende Weiß. Aber alles war völlig durcheinander, überall Dreckflecken, und es roch nach Rauch. Auf einem massiven Arbeitstisch standen mehrere riesige Videoschirme, jeder mehr als einen Meter im Durchmesser, und Terries führte uns geradewegs zu ihnen, deutete mit einer komplizierten Handbewegung darauf. Dann wies er auf den mittleren der Schirme.
»Mr Cates«, sagte er, »darf ich Ihnen unsere Seuche vorstellen?«
Ich starrte den Bildschirm an. Einen Moment lang konnte ich überhaupt nicht verarbeiten, was ich darauf sah. Es war eine Blutprobe in immenser Vergrößerung. Darin schwammen Dinge. Sie zuckten umher, sodass ich zunächst glaubte, es seien winzige Insekten: Zahllose Beinchen traten in alle Richtungen und trieben diese Dinger vorwärts, winzige Antennen wedelten umher. Ich kniff die Augen zusammen und beugte mich ein wenig vor, während Terries sich abwandte und davonging, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
Die Insekten glitzerten. Sie strahlten fast.
»Was zum …«, brachte ich hervor.
»Genau, sie sind mechanisch«, erklärte Terries, ohne sich uns zuzuwenden. »In gewisser Weise handelt es sich um Roboter. Unglaublich klein, winziger als Ihre roten Blutkörperchen. Höchst fortschrittliche Nanotechnik. Ich weiß nicht, welches Labor im ganzen System etwas derart Komplexes überhaupt hat entwickeln können. Sie treiben sich selbst an, verfügen über recht hoch entwickelte Prozessoren, die ihnen ein beachtliches Maß an Flexibilität verleihen, und – und das ist das Erstaunlichste, Mr Cates – sie sind selbstreplizierend. Jeder von denen kann eine exakte Kopie seiner selbst anfertigen und braucht dafür lediglich Rohmaterialien des Wirtskörpers.«
»Das«, murmelte Jabali neben mir, »ist ganz schön abgefahren.«
»Sie breiten sich aus, Mr Cates. Diese Dinger können jeden Menschen erreichen, der sich jemandem, der infiziert ist, auf weniger als zweieinhalb Meter nähert. Sie können sich einfach durch die Luft verbreiten. Zunächst halten sie sich an einem beliebigen Körperausscheidungsprodukt fest. Sobald aber auch nur eine einzige dieser mikroskopisch kleinen Einheiten in den Körper eingedrungen ist, beginnen sie mit der Replikation. Wenn sich erst einmal genügend Einheiten in einem Wirtskörper befinden, fangen sie an, ihn … aufzuzehren.« Nun wandte er sich uns doch noch zu. Ich schaute ihn an, und er lächelte-ein entsetzliches, totenschädelartiges Lächeln. Er war ein wirklich gut aussehender Mann, sein Gesicht hatte auffallend feine Züge. Doch jetzt sah er aus wie
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