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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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zu bändigen. Sein rotes Haar stand von seinem Kopf in alle Richtungen ab. Es schien schon seit geraumer Zeit nicht mehr gewaschen worden zu sein. Bei seinen grünen Augen mochte es sich um Bio-Erweiterungen handeln, so starr blickte er mich die ganze Zeit über an, ohne auch nur zu blinzeln. Mit gleichmäßigen Bewegungen kaute er auf seinem Tabak herum, die Hände lagen im Schoß, die Beine baumelten vom Tisch herab. Er trug einen schlichten schwarzen Anzug, dazu auf Hochglanz polierte, robuste schwarze Schuhe mit dicken Sohlen.
    »Der einzige Grund, warum du überhaupt noch am Leben bist«, erklärte Purpuranzug keuchend und wischte sich den Schweiß von der Stirn, »ist, dass wir noch nicht die Genehmigung erhalten haben, dich umzubringen.«
    Eines meiner Augen war zugeschwollen, meine Lippen aufgeplatzt und gummiartig trocken. Ich nickte dem Mann langsam zu.
    »Wag es ja nicht zu nicken, du Scheißkerl …«
    Allmählich ging ihm die Puste aus. Deswegen war der Tritt, den er mir gegen die Brust versetzte, nicht heftig genug, um mich umstürzen zu lassen. Der Stuhl, an den ich gefesselt war-ein verbogenes Teil aus grauem Metall – rutschte nur ein paar Zentimeter weit zurück. Keuchend saß ich da und würgte ein wenig. Blut troff mir aus den Mundwinkeln. Purpuranzug stützte die Hände auf die Knie, beugte sich vor und atmete schwer. Allzu gut sah er nicht aus. Im Abstand von zehn oder fünfzehn Minuten hatte er den Raum immer wieder verlassen. Und damit ist er wohl aus meinem Einflussbereich hinaus, ging es mir durch den Kopf. Und jedes Mal, wenn er zurückgekehrt war, schien es noch übler um ihn bestellt. Ich konnte mir richtig vorstellen, wie meine unsichtbaren Drohnen ihn nach und nach von innen heraus auffraßen, Stück für Stück. Jedes Mal, wenn er den Raum verließ, erwachten sie erneut zum Leben und schliefen sofort wieder ein, wenn er wieder hereinkam.
    Der Rote Riese drehte nur den Kopf zur Seite, spie ein wenig Tabak aus und starrte mich an.
    »Ich geh mal, Happ«, keuchte Purpuranzug und hustete heftig.
    »Bei dir alles in Ordnung?«
    »Jou, jou. Ich brauch bloß ’ne Pause. Pass auf ihn auf, ja?«
    Purpuranzug ging wieder die Anzieh-Routine durch und hustete dabei die ganze Zeit über, als sei er völlig verschleimt. Er hustete so heftig, bis sein runder kahler Schädel so dunkelrot angelaufen war, als wolle er dem Anzug Konkurrenz machen. Währenddessen starrte der andere Cop mich nur ungerührt an. Das Weiß seiner Augäpfel war blutunterlaufen; ich glaubte die Venen erkennen zu können. In den letzten zwei Stunden hatte er den Raum nicht ein einziges Mal verlassen und wirkte rundum kerngesund.
    »Ich pass schon auf, dass ihm kein Leid geschieht«, sagte er tonlos.
    Natürlich hatten sie mein Gesicht gescannt – und auch das von Jabali. Sie mussten glauben, das große Los gezogen zu haben: Sie hatten ihn, Avery Gates, den Cop-Killer. Offiziell lag gegen mich nicht das Geringste vor. Aber jeder Cop in New York – vielleicht sogar im ganzen System – kannte mich. Ich war in dieses Verhörzimmer gebracht worden, und seitdem hatte ich niemand anderen außer diesen beiden hier gesehen: Purpuranzug vermöbelte mich mit dem SSD-eigenen Arbeitseifer, und der Rote Riese saß nur dabei und schaute zu. Ich wusste nicht, ob ihm gefiel, was er sah. Er starrte einfach nur zu mir herüber. Im Zimmer war von draußen nicht das Geringste zu hören, und es war so, wie es aussah: völlig eintönig. Denn hier gab es nur mich, einen Tisch, einen Stuhl und zwei System-Bullen, die mir nicht eine einzige Frage stellten. Die wollten keine Informationen aus mir herausp rügeln, die wollten mich einfach nur verprügeln. Ich hatte viele Cops umgebracht. Nicht so viele, wie die beiden bestimmt glaubten, aber doch genug.
    Ich ließ den Kopf auf die Brust sinken. Offiziell war ich nie in Gewahrsam genommen worden. Die wollten mich eine Zeit lang ganz für sich allein haben, und wenn mein Name auf den Datenschirmen aufgetaucht wäre, hätten sie mich ziemlich schnell an die nächsthöhere Ebene weiterreichen müssen. Also war ich offiziell überhaupt nicht hier. Alles Mögliche konnte passieren. Ach Scheiße, vielleicht überlebte ich das Ganze ja sogar.
    Plötzlich ergriff der Rote Riese das Wort. »Wie fühlt sich das an, wenn jeder Einzelne im Umkreis von einer Meile einen tot wissen will?«, fragte er fröhlich, und plötzlich wurde seine Miene regelrecht lebhaft. Sein Lächeln war entsetzlich, entschieden zu breit

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