Something like love
Bechers entsteht.
Als mein Becher am nächsten Tag genau so aussieht, wie ein Becher aussehen sollte, bin ich total begeistert. Ich bringe ihn an unseren Tisch und zeige ihn Connor. »Na, was sagst du?« Ich platze vor Stolz.
»Wahnsinn!«, sagt Connor, der gerade sein getöpfertes Objekt glasiert. Nach dem Glasieren kommen unsere Werke in den Brennofen und morgen können wir sie mit nach Hause nehmen.
»Wie hast du das denn gemacht?«, frage ich. Connor hat eine echt schöne Vase getöpfert. Schmal und hoch, was auf dieser Scheibe ziemlich schwierig ist. Als ich mal versucht habe, etwas zu formen, das nur halb so hoch war, endete es als Trümmerhaufen.
»Mit Geduld«, erwidert er, »und Übung.«
»Du hörst dich an wie meine Mom.«
»Deine Mom muss eine sehr intelligente Frau sein.«
»Eher nervig, weil sie immer recht hat.« Ich fange an, meinen Becher zu glasieren.
»Hab ich erlaubt, dass du dich hier hinsetzen darfst?«, schnauzt Ryan Sophie am Nachbartisch an. Sophie sieht sich nach einem anderen freien Platz um. Es gibt keinen.
»Du kannst hier sitzen«, biete ich an.
Sophie sieht mich so dankbar an, dass es mir die Kehle zuschnürt. Ich hasse es, wie Ryan auf ihr herumhackt. Er gehört zu den Typen, die bei anderen Schwäche wittern und dann sofort zuschlagen. In jeder Unterrichtsstunde, die sie zusammen haben, macht er es sich zur Aufgabe, Sophie vor allen anderen zu demütigen. Dabei ist sie nicht die Einzige, die er nicht ausstehen kann. Ryan und seine blöden arroganten Freunde hacken auf jedem herum, der nicht in ihr verzerrtes Weltbild passt – dazu gehören Nerds ebenso wie Übergewichtige. Die arme Sophie ist beides.
Ryan hasst auch Blake von ganzem Herzen, obwohl ich keine Ahnung habe, warum. Blake gibt sein Bestes, sich anzupassen. Aber jedes Mal, wenn Ryan im Gang an Blake vorbeikommt, wirft er ihm fiese Blicke zu.
Letztes Jahr hat Ryan aus unerfindlichen Gründen Blakes Englischaufsatz zerrissen. Blake saß im Klassenzimmer und wartete auf den Lehrer, der die Aufsätze einsammelte. Ryan ging zu Blakes Platz, schnappte sich den Aufsatz und zerfetzte ihn. Es waren fünfzehn Seiten (fünfzehn voll beschriebene Seiten, nicht die pseudovollen Seiten mit riesigen Abständen und lächerlich breiten Rändern), die entscheidend zur Gesamtnote beitrugen. Etliche Mitschüler hatten gesehen, was Ryan getan hatte, aber keiner sagte etwas. Ryan kam ungeschoren davon. Und Blake bekam eine Sechs. Blake hätte die Papierfetzen vorzeigen und erklären können, was passiert war, aber so hart ihn der runtergezogene Notendurchschnitt auch traf, nahm er doch lieber die Sechs in Kauf. Ich vermute, dass Blake ahnte, woher Ryans Hass ihm gegenüber kam. Und er wollte unter allen Umständen vermeiden, Ryan zu sehr zu provozieren.
»Danke, Lani«, sagt Sophie und stellt ihre Schale neben meinen Becher auf den Tisch.
»Kein Problem«, entgegne ich. »Ryan ist ein Arschloch.«
Ich funkle Ryan an. Er antwortet mit einem Kussmund.
Arschloch.
Ein paar Mitschüler sehen zu, wie Sophie ihre Beine über die Bank schwingt. Ich bin nicht sicher, ob sie zwischen mir und der arroganten Zehntklässlerin auf der anderen Seite überhaupt genügend Platz hat; ich kann es nur hoffen. Dabei bin ich schon so weit wie möglich an den Rand der Bank gerückt.
Sophie schafft es, sich zwischen uns zu quetschen. Die Schülerin neben ihr schnalzt genervt mit der Zunge.
»Deine Schale gefällt mir«, sage ich.
»Danke.« Sophie hebt sie hoch. »Ich hab sie für meine Schwester gemacht. Sie geht schon aufs College.«
»Cool.«
Beim Glasieren lassen wir unsere Gedanken schweifen.
Als ich wieder aufblicke, starrt Ryan mich herausfordernd an. Ich habe keine Lust, mich von ihm provozieren zu lassen. Ich will nicht, dass noch mehr Hass freigesetzt wird, nur weil jemand mich mit negativer Energie überschütten will. Ich glaube daran, dass das Schicksal von Energien beeinflusst wird und ein Zuviel an negativer Energie kann meinem Schicksal schaden.
Ein Beispiel. Man bittet um ein Zeichen, dass alles gut werden wird, dann dreht man sich um und entdeckt, dass jemand OK an die Mauer gesprüht hat. Derartige Zeichen sind schwer zu erkennen, wenn man in einem dicken negativen Frustknäuel feststeckt.
Ich ignoriere Ryan. Ich finde es mies, dass er andere Leute so schlecht behandelt. Für mich besteht der Sinn des Lebens darin, unseren Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten, und nicht darin, es allen nur noch schwerer zu machen. Ich
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