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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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höchste an Luxus. Je mehr sie daran dachte, desto begehrenswerter wurde es, und sie kramte in sämtlichen Taschen, in der Hoffnung, ein vergessenes Geldstück zu finden, aber da war nichts, nicht mal ein Halfpenny.
    Sie setzte sich auf einen Poller und sah betrübt auf das Deck eines Fischerbootes, wo ein Junge in einem salzbefleckten Kittel auf einem Spirituskocher Tee aufbrühte. Sie versuchte, nicht an das Eis zu denken, als hinter ihr, wie die Erhörung eines Gebetes, eine Stimme erklang.
    „Hallo.“
    Virginia blickte über die Schulter, wischte sich die langen Haare aus dem Gesicht und sah ihn dastehen, gegen den Wind gestemmt, ein Päckchen unter dem Arm. Er trug einen blauen Rollkragenpullover, in dem er wie ein Seemann aussah.
    Sie stand auf. „Hallo.“
    „Ich dachte mir, daß du es bist“, sagte Eustace Philips, „aber ich war mir nicht sicher. Was machst du hier?“
    „Nichts. Ich bin bloß spazierengegangen und hab hier Pause gemacht, um mir die Boote anzusehen.“
    „Ein herrlicher Tag heute.“
    „Ja.“
    Seine blauen Augen blitzten amüsiert. „Wo ist Alice Lingard?“
    „In Penzance... auf einer Sitzung...“
    „Dann bist du ganz allein?“
    „Ja.“ Sie hatte ausgelatschte blaue Turnschuhe an, Bluejeans und einen weißen Pullover mit Zopfmuster, und sie war zu ihrem Kummer überzeugt, daß ihre Naivität sich nicht nur aufs peinlichste in ihrer Kleidung zeigte, sondern auch in ihrer Unfähigkeit zu belangloser Konversation.
    Sie sah auf sein Päckchen. „Und was machst du hier?“
    „Ich hab eine neue Plane für den Heuschober besorgt. Der Wind hat die alte heute Nacht in Fetzen gerissen.“
    „Dann gehst du jetzt wohl zurück?“
    „Nicht gleich. Und du?“
    „Ich hab nichts vor. Seh mich bloß um.“
    „Kennst du die Stadt noch nicht?“
    „So weit wie heute bin ich noch nie gekommen.“
    „Dann komm, ich zeig sie dir.“
    Sie gingen den Kai entlang, gemächlich im Gleichschritt. Er sah den Eiskarren und blieb stehen. „Hallo, Fred.“
    Der Eismann, in seiner blendendweißen Jacke wie ein Cricket-Schiedsrichter, drehte sich um, und als er Eustace er kannte, breitete sich ein Lächeln über seine Züge, die braun und schrumpelig waren wie eine Walnuß.
    „Tag, Eustace. Wie geht's?“
    „Gut, und dir?“
    „Nicht schlecht. Seh dich nicht oft hier unten. Wie steht's in Lanyon?“
    „Prima. Viel Arbeit.“ Eustace nickte zu dem Karren. „Du bist früh draußen. Hier ist kein Mensch, um Eis zu kaufen.“
    „Ach weißt du, wer zuerst kommt, mahlt zuerst, sag ich immer.“
    Eustace sah Virginia an. „Möchtest du ein Eis?“
    Sie konnte sich nicht erinnern, daß ihr je ein Mensch genau das angeboten hatte, was sie sich am meisten wünschte.
    „Gerne, aber ich habe kein Geld bei mir.“
    Eustace grinste. „Das größte, das du hast“, sagte er zu Fred und griff in die Gesäßtasche seiner Hose. Er führte Virginia den ganzen Kai entlang, durch kopfsteingepflasterte Straßen, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte, über kleine, unerwartete Plätze, wo die Häuser gelbe Türen und Blumenkästen hatten, an Höfen mit Wäscheleinen und Steintreppen vorbei, wo Katzen in der Sonne lagen und sich putzten. Schließlich kamen sie an einen Nordstrand, der mit der Front zum Wind lag. Die langen Brecher rollten jadegrün heran, und die Sonne stand hinter ihnen, und die Luft war neblig von sprühendem Schaum.
    „Als ich ein Junge war“, sagte Eustace zu ihr, die Stimme gegen den Wind erhoben, „bin ich immer mit einem Surfbrett hierhergekommen. Es war ein kleines aus Holz, das mein Onkel mir gemacht hatte, mit einem aufgemalten Gesicht. Aber heute haben sie Surfbretter aus Glasfaser. Und sie surfen das ganze Jahr, Sommer wie Winter.“
    „Ist es nicht kalt?“
    „Sie haben Spezialanzüge an.“
    Sie kamen an einen Deich, in dessen Biegung eine Holzbank stand, und Eustace, der offenbar fand, sie seien genug gelaufen, ließ sich nieder, mit dem Rücken zum Deich und dem Gesicht zur Sonne, und streckte die langen Beine von sich.
    Virginia, die soeben den Rest von ihrem Rieseneis vertilgte, setzte sich neben ihn. Er beobachtete sie, und als sie den letzten Mundvoll verdrückt hatte und die Finger an den Knien ihrer Jeans abwischte, sagte er: „Hat's geschmeckt?“
    Sein Gesicht war ernst, doch seine Augen lachten sie aus. Es machte ihr nichts. „Prima, sehr gut. Du hättest auch eines essen sollen.“
    „Ich bin zu groß und zu alt, um eisschleckend durch die Straßen zu

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