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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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laufen.“
    „Dafür werde ich nie zu groß oder zu alt sein.“
    „Wie alt bist du?“
    „Siebzehn, bald achtzehn.“
    „Bist du mit der Schule fertig?“
    „Ja, letzten Sommer.“
    „Was machst du jetzt?“
    „Nichts.“
    „Gehst du auf die Uni?“
    Sie war geschmeichelt, daß er sie für so intelligent hielt. „Meine Güte, nein.“
    „Was hast du denn vor?“
    Virginia wünschte, er hätte nicht gefragt.
    „Hm, ich denke, nächsten Winter werde ich wohl kochen oder Steno und Schreibmaschine lernen oder was ähnlich Grauenhaftes. Aber meine Mutter hat diesen Tick, daß ich den Sommer über nach London und auf all die Parties gehen soll, damit ich die richtigen Leute kennenlerne und mich in den gesellschaftlichen Strudel stürze.“
    „Ich glaube“, sagte Eustace, „das nennt man .“ Sein Tonfall ließ deutlich erkennen, daß er von dieser Idee so wenig hielt wie sie selbst.
    „Bitte nicht. Mich packt das kalte Grausen.“
    Kaum zu glauben, daß es heutzutage noch Leute gibt, die Wert auf so was legen.“
    „Ich weiß, es ist unvorstellbar. Aber es gibt sie noch. Und meine Mutter ist eine von ihnen. Sie hat sich schon mit einigen anderen Müttern zu schauerlichen Teegesellschaften zusammengetan. Sie hat sogar schon das Datum für einen Ball festgelegt, aber ich werde alles versuchen, um es ihr auszureden. Kannst du dir was Schlimmeres vorstellen als einen Debütantinnenball?“
    „Nein, aber ich bin ja auch keine süße Siebzehn.“ Virginia schnitt ihm eine Grimasse. „Wenn du so dagegen bist, warum weigerst du dich nicht einfach und sagst deiner Mutter, du hättest lieber das Geld für ein Rückflugticket nach Australien oder so was?“
    „Hab ich ja gemacht. Ich hab's zumindest versucht. Aber du kennst meine Mutter nicht. Sie hört nie auf das, was ich sage, sie sagt einfach, es ist so wichtig, die richtigen Leute kennenzulernen und auf die richtigen Parties eingeladen und an den richtigen Orten gesehen zu werden.“
    „Kannst du nicht versuchen, deinen Vater auf deine Seite zu ziehen?“
    „Ich hab keinen Vater. Zumindest sehe ich ihn nie, sie haben sich scheiden lassen, als ich ein Baby war.“
    „Verstehe.“ Er fügte ohne große Zuversicht hinzu: „Kopf hoch... wer weiß, vielleicht macht es dir ja Spaß.“
    „Ich werde es von Anfang bis Ende hassen.“
    „Woher weißt du das?“
    „Weil ich nicht zu Parties tauge und vor Fremden keinen Ton herausbringe und mir nie einfällt, was ich mit jungen Männern reden könnte.“
    „Bei mir fällt dir eine Menge ein.“
    „Aber du bist anders.“
    „Inwiefern?“
    „Du bist älter. Ich meine, du bist nicht jung.“ Eustace lachte, und Virginia wurde verlegen. „Ich meine, du bist nicht richtig jung, wie ein- oder zweiundzwanzig.“ Er lachte immer noch. Sie legte die Stirn in Falten. „Wie alt bist du?“
    „Achtundzwanzig. Ich werde bald neunundzwanzig.“
    „Du hast es gut. Ich wünschte, ich wäre achtundzwanzig.“
    „Dann“, sagte Eustace, „wärst du wahrscheinlich jetzt nicht hier.“
    Ganz plötzlich wurde es dunkel und kalt. Virginia schauderte. Sie blickte hoch und sah, daß die Sonne hinter einer großen grauen Wolke verschwunden war, die Vorhut einer Schlechtwetterfront, die von Westen heranfegte.
    „Aus und vorbei“, sagte Eustace. „Das Schönste vom Tag hätten wir hinter uns. Bis heute abend wird es regnen.“ Er sah auf seine Uhr. „Es ist fast vier, Zeit, daß ich nach Hause komme. Wie kommst du zurück?“
    „Zu Fuß, denke ich.“
    „Soll ich dich fahren?“
    „Hast du ein Auto?“
    „Ich hab einen Landrover, er steht an der Kirche.“
    „Ist es ein Umweg für dich?“
    „Nein. Ich kann über die Heide nach Lanyon zurückfahren.“
    „Schön, wenn du meinst...“
    Auf der Fahrt nach Haus Wheal versank Virginia in Schweigen. Aber es war ein natürliches, kameradschaftliches Schweigen, ganz behaglich, und es hatte nichts damit zu tun, daß sie schüchtern war oder ihr nichts einfiel, was sie sagen könnte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich je mit einem Menschen so unbefangen gefühlt hatte - schon gar nicht mit einem Mann, den sie erst so kurze Zeit kannte. Der Landrover war ein altes Vehikel, die Sitze waren schäbig und staubig, auf dem Fußboden lagen Strohreste, und es roch leicht nach Mist. Virginia störte das nicht im Geringsten, es gefiel ihr vielmehr, weil es zu Penfolda gehörte.
    Ihr wurde klar, daß sie sich mehr als alles andere wünschte, dorthin

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