Sommer am Meer
Wie nett, daß ihr euch heute wiedergetroffen habt.“
„Rein zufällig“, sagte Eustace bestimmt.
„Oh, um so netter!“ Sie lächelte. „Wir wollen gerade Tee trinken, Mr. Philips. Möchten Sie uns Gesellschaft leisten?“
Eustace schüttelte den Kopf. Seine Augen ließen ihr Gesicht nicht los. „Siebzig Kühe warten auf mich, um gemolken zu werden. Ich muß nach Hause...“
„Oh, natürlich. Ich möchte Sie nicht von der Arbeit abhalten.“ Sie sprach im Ton der Dame des Hauses, die den Gärtner entläßt, aber noch lächelte sie.
„Das würde ich auch nicht zulassen“, sagte Eustace und stieg wieder ein. „Auf Wiedersehen, Virginia.“
„Oh. Auf Wiedersehen“, sagte Virginia matt. „Und danke fürs Nachhausebringen.“
„Ich ruf dich an.“
„Ja, tu das.“
Er nickte ihr ein letztes Mal zu, dann ließ er den Motor an, legte den ersten Gang ein, und ohne einen Blick zurück sauste er die Zufahrt hinunter und verschwand. Virginia und ihre Mutter blieben in einer Staubwolke zurück und starrten ihm nach.
„Na so was!“ sagte Mrs. Parsons lachend, aber sichtlich gereizt.
Virginia sagte nichts. Es gab nichts zu sagen.
„So ein uriger junger Mann! Ich muß schon sagen, hier unten begegnet man allen möglichen Typen. Weswegen will er dich anrufen?“
Ihr Tonfall besagte, daß Eustace Philips so etwas wie ein Witz sei, ein Witz, den sie und Virginia gleichermaßen komisch fanden.
„Er meinte, ich könnte vielleicht nach Lanyon kommen und mit seiner Mutter Tee trinken.“
„Ach wie schön, eine richtige Landhausidylle!“ Es begann ganz leicht zu regnen. Mrs. Parsons betrachtete den bedeckten Himmel und schauderte. „Wieso stehen wir hier draußen im Wind? Komm, der Tee wartet...“
Virginia hatte das Schaudern ihrer Mutter nicht weiter beachtet, doch am nächsten Morgen klagte Mrs. Parsons über Unwohlsein, sie habe eine Erkältung, sagte sie, eine Magenverstimmung, sie werde im Haus bleiben. Da das Wetter ohnehin schrecklich war, fand niemand etwas dabei. Alice machte im Wohnzimmer Feuer, und dort ruhte Mrs. Parsons auf dem Sofa, eine leichte Mohairdecke auf den Knien.
„So schlecht fühle ich mich nun auch wieder nicht“, sagte sie zu Virginia, „ihr könnt ruhig gehen, du und Alice, ihr braucht auf mich keine Rücksicht zu nehmen.“
„Was meinst du damit, wir können ruhig gehen? Wohin?“
„Nach Falmouth. Zum Mittagessen ins Haus Pendrane.“ Virginia machte ein verständnisloses Gesicht. „Liebes, schau nicht so dämlich. Mrs. Menheniot hat uns vor einer Ewigkeit eingeladen. Sie möchte uns den Garten zeigen.“
„Mir hat keiner was gesagt“, sagte Virginia.. Sie wollte nicht. Es würde ein Tagesausflug werden, nach Falmouth und zurück, zu Mittag essen und den langweiligen Garten besichtigen. Sie wollte hierbleiben, beim Telefon, und auf Eustace' Anruf warten.
„Dann sage ich es dir jetzt. Du mußt dich umziehen. Du kannst nicht in Jeans zum Mittagessen gehen. Willst du nicht die hübsche blaue Bluse anziehen, die ich dir gekauft habe? Oder den Kilt? Mrs. Menheniot findet deinen Kilt bestimmt lustig.“
Wäre sie eine andere Mutter gewesen, hätte Virginia sie gebeten, auf das Telefon aufzupassen und ihr auszurichten, wenn jemand für sie anrief. Aber ihre Mutter konnte Eustace nicht leiden. Sie fand ihn unmanierlich, ungehobelt, und mit ihrer ironischen Bemerkung von der Landhausidylle hatte sie ihm offiziell den Stempel ihrer Mißbilligung aufgedrückt. Seit seiner Abfahrt war sein Name nicht erwähnt worden, und als Virginia gestern beim Abendessen mehr als einmal versucht hatte, Alice und Tom von ihrer zufälligen Begegnung zu erzählen, riß ihre Mutter jedesmal rigoros das Gespräch an sich und unterbrach es, wenn nötig, um es in genehmere Bahnen zu lenken. Während Virginia sich umzog, ging sie mit sich zu Rate, was sie tun sollte.
Als sie schließlich den Schottenrock und einen kanariengelben Pullover angezogen und die dunklen Haare gebürstet hatte, bis sie glänzten, ging sie zu Mrs. Jilkes in die Küche. Mrs. Jilkes war ihre Freundin geworden. An einem regnerischen Nachmittag hatte sie Virginia beigebracht, Hörnchen zu backen und sie gleichzeitig freimütig mit Informationen hinsichtlich der Gesundheit und Langlebigkeit von Mrs. Jilkes' zahllosen Verwandten gefüttert.
„Tag, Virginia.“
Sie war dabei, Pasteten zu füllen. Virginia schnappte sich einen Happen und begann geistesabwesend zu essen.
„Nicht doch! Sonst sind Sie ja schon satt und
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