Sommer am Meer
mürrisch an, bis sie Virginia mit den Kindern sah.
Da lächelte sie. „Oh, Mrs. Keile, haben Sie mich überrascht, ich konnte ja nicht ahnen, daß Sie es waren. Und das sind Ihre Kinder. Gott, sind die niedlich, seid ihr nicht niedlich?“ wollte sie im Plauderton von Cara wissen, der so eine Frage noch nie gestellt worden war. Sie überlegte, ob sie „nein“ sagen sollte, weil sie wußte, daß sie nicht niedlich war, aber sie war zu schüchtern, um etwas zu sagen. Sie starrte Mrs. Jilkes bloß an.
„Du bist Cara, nicht? Und Nicholas. Wie ich sehe, habt ihr eure Badesachen mitgebracht. Köpfchen in das Wasser, wie?“ Sie wandte sich wieder an Virginia. „Mrs. Lingard ist nicht da.“
„Ach.“
„Sie ist weg, seit Sie weg sind. Mr. Lingard mußte zu einem großen Bankett in London, und Mrs. Lingard hat plötzlich beschlossen mitzufahren. Sie sagte, sie war schon eine ganze Weile nicht mehr in London. Aber heute abend ist sie wieder zu Hause.“
Virginia versuchte, daraus schlau zu werden. „Sie meinen, sie ist seit Donnerstag weg?“
„Donnerstag nachmittag ist sie abgefahren.“
„Aber... Bosithick... der Kamin war an, als wir hinkamen, und alles war geputzt, und jemand hatte uns Eier und Milch hingestellt... ich dachte, das war Mrs. Lingard.“
Mrs. Jilkes setzte eine gezierte Miene auf. „Nein. Aber ich will Ihnen sagen, wer es war.“
„Wer?“
„Eustace Philips.“
„Eustace ?“
„Nun tun Sie nicht so entsetzt, er hat schließlich nichts Schlimmes getan.“
„Aber woher wissen Sie, daß es Eustace war?“
„Weil er mich angerufen hat“, sagte Mrs. Jilkes wichtigtuerisch. „Das heißt, er wollte mit Mrs. Lingard telefonieren, aber weil sie in London war, hab ich mit ihm gesprochen. Er hat gefragt, ob irgend jemand was macht in Bosithick, ehe Sie mit den Kindern hinkommen, und ich hab gesagt, ich weiß nicht, und daß Mrs. Lingard nicht da ist, und er hat gesagt, na macht nichts, ich kümmere mich darum, und das war alles. Hat er's gut gemacht?“
„Soll das heißen, er ist hingegangen und hat das Haus geputzt?“
„O nein. Eustace wüßte ja nicht mal, wo bei einem Staubwedel vorne und hinten ist. Das wird Mrs. Thomas gewesen sein. Die würde die Fliesen vom Fußboden runterschrubben, wenn man sie ließe.“
Cara schob ihre Hand in Virginias. „Ist das der Mann auf dem Traktor, den wir heute morgen gesehen haben?“
„Ja“, sagte Virginia verwirrt.
„Aber wird er nicht denken, wir sind schrecklich unhöflich? Wir haben nicht danke gesagt.“
„Ich weiß. Wir müssen heute nachmittag hingehen. Wenn wir zurückkommen, gehen wir nach Penfolda und erklären es.“
Nicholas wurde zornig. „Aber du hast gesagt, ich darf mit meinem Eimer und meiner Schaufel am Strand graben!“
Mrs. Jilkes wußte eine aufsässige Stimme auf Anhieb zu erkennen. Sie beugte sich zu Nicholas hinunter, die Hände auf den Knien, ihr Gesicht dicht vor seinem, ihre Stimme verführerisch.
„Magst du nicht schwimmen gehen? Und wenn du aus dem Wasser kommst, darfst du mit deiner Mami und deiner Schwester hereinkommen und Kartoffelauflauf mit Hackfleisch essen, in der Küche bei Mrs. Jilkes...“
„Aber, Mrs. Jilkes ...“
„Nein.“ Mrs. Jilkes quittierte Virginias Unterbrechung mit einem Kopfschütteln. „Es macht keine Umstände. Wartet alles bloß drauf, daß es aufgegessen wird. Und ich hab erst vorhin gedacht, daß das Haus so leer ist und daß ich da drin rumklappere wie eine Erbse in einer Trommel.“ Sie strahlte Cara an. „Möchtest du das nicht gerne, mein Schätzchen?“
Sie war so gütig, daß Caras Schüchternheit schmolz. Sie sagte: „Ja, bitte.“
An diesem warmen Sonntagnachmittag spazierten sie querfeldein nach Penfolda, über die Stoppelfelder, wo Virginia erst vor einer Woche den Erntearbeitern zugesehen hatte, und über die Weiden. Über Zauntritte aus Granitstein, die über die Gräben gelegt waren, gelangten sie von einem Feld zum anderen. Als sie sich dem Hof näherten, sahen sie die Entenställe, die Gatter, den betonierten Viehhof, die Melkräume. Die Gatter öffnend und sorgsam hinter sich schließend, überquerten sie das Gelände und kamen in dem alten kopfsteingepflasterten Hof heraus. Sie hörten Schrubbgeräusche, nasse Borsten auf Stein, und Virginia ging zu einer offenen Tür, die in einen Stall mit Boxen führte, und sah einen Mann beim Ausmisten. Eine verblichene blaue Baskenmütze saß hinten auf seinem lockigen grauen Kopf, und er trug eine
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