Sommer der Entscheidung
Arm? Bald werde ich dir zeigen, wie es war. Mein Wurfarm ist erstaunlich gut.“
Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012
19. KAPITEL
Juni 1964
D er große Schulball zur Abschlussfeier lag schon hinter ihr, und die Familie hatte kein Geld, um Nancy ein Studium am College zu finanzieren. Sie hatte außerdem nicht auf eine Hochschule gehen wollen. Sie wollte weder Lehrerin noch Krankenschwester werden.
Der Vertrauenslehrer an der Schule, der die Abgänger in Berufsfragen beriet, versuchte, die intelligenten Mädchen in die eine oder andere Richtung zu drängen. Nancy träumte davon, Innenarchitektin zu werden, obwohl sie nicht wusste, wie sie es hätte anstellen sollen. Einer Sache war sie sich allerdings absolut sicher, nämlich, dass sie Toms Brook und alles, was damit zusammenhing, hinter sich lassen wollte.
Unglücklicherweise stand sie jetzt, vier Jahre später, immer noch mitten in der Stadt.
Nancy sah ihrer Mutter dabei zu, wie sie auf dem lehmigen Parkplatz vor dem kleinen Marktstand, auf dem sie Gemüse und Marmelade verkaufte, eine Pause machte. Während sie ihre Schulter kratzte, sah Helen ihre Tochter ein letztes Mal an.
„Nancy, bist du sicher, dass du alles dabeihast? In der Thermoskanne ist Tee und in der Kühltasche sind Sandwiches. Und vergiss nicht, das Wechselgeld immer zu verstecken.“
Nancy rollte mit den Augen. „Ich weiß, Mama. Oder glaubst du, mich wird hier an diesem ollen Gemüsestand ein Maskierter mit einer Pistole überfallen?“
Helen sah müde aus, älter als fünfundvierzig Jahre. Sie trug einen unförmigen Wickelrock aus Seersucker, eine weiße Bluse und Schnürschuhe, wie sie alte Frauen zu tragen pflegten. Ihre ehemals dunklen Haare waren zur Hälfte grau.
Nancy verstand nicht, warum sich ihre Mutter nicht ein wenig mehr Mühe mit ihrem Aussehen gab. Sie war jünger als die meisten Mütter von Nancys Freundinnen. Sie könnte fast attraktiv aussehen, würde sie nur ihre Haare färben und aufdrehen und ein wenig Make-up benutzen. Aber Helen Henry ließ sich von niemandem etwas sagen.
Die beiden Furchen zwischen Helens Augenbrauen wurden tiefer. „Alles, was ich weiß, ist, dass ich hart dafür gearbeitet habe, dass du hier Gemüse verkaufen kannst, und ich will nicht, dass jemand mit dem Geld, das wir verdient haben, fortrennt.“
„Kommst du nach dem Mittag zurück?“, fragte Nancy.
„Das habe ich doch gesagt, oder? Dann bin ich wieder hier. Du musst nur aufräumen bis dahin. Und leg die Tomaten beiseite, die schon weich sind.“
Nancy sah ihrer Mutter nach, die zum alten Ford Pick-up ging. Helen würde um zwei Uhr mit neuen Tomatenkisten, Gurken, Paprika und Zuckermais zurück sein. Das Gewitter von gestern Nacht hatte den ganzen Garten unter Wasser gesetzt, so dass sie warten musste, bis das meiste davon in der Mittagshitze verdampft war, um noch mehr Gemüse ernten zu können.
Als der Lieferwagen weggefahren war, entspannte sich Nancy ein wenig. Wenn sie Glück hatte, würde niemand anhalten und sie hier sehen. Die meisten ihrer Schulkollegen waren aus Toms Brook weggezogen oder hatten Jobs in Woodstock oder Strasburg gefunden. Der Klassensprecher hatte sogar eine richtige Anstellung angenommen, bei einem Makler in Mt. Jackson, wo sein Onkel lebte. Wahrscheinlich würde er eines schönen Tages das Büro und damit die Hälfte der Region übernehmen. Er war so ein cleverer Schwätzer, dass mindestens zwei Schülerinnen aus der Abschlussklasse nähere Bekanntschaft mit ihm und dem Rücksitzdes Pontiacs gemacht hatten, der seinem Vater gehörte.
Nach der Schule hatte Nancy einen Job als Aushilfe in der Bücherei der Grundschule angenommen. Außerdem sprang sie dort im Sekretariat ein. An der Abendschule lernte sie Schreibmaschine schreiben und Stenografie, aber dafür schien sie auch nicht besonders talentiert zu sein. Sie hatte Angst, bis an ihr Lebensende dort in der Schule für einen Mindestlohn auszuhelfen, mit den Kringeln aus dem Stenokurs zu ringen und Tomaten zu verkaufen, wenn sie nicht in die Schule musste.
Sie sah kurz auf die Uhr. Die Elgin-Armbanduhr, die sie von Helen zum Schulabschluss bekommen hatte, zeigte erst 8.00 Uhr an. Das hieß, dass noch elf Stunden vor ihr lagen, bevor Helen die Rollläden des kleinen Standes herunterziehen und abschließen konnte. Elf qualvolle, langweilige Stunden, bevor sie mehr oder weniger freihatte.
Sie hatte einen besseren Sommerjob haben wollen. Sie hätte auch einen finden können, doch
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