Sommer der Entscheidung
sie als seine Sommerromanze ausgewählt hatte, obgleich seine Auswahl an Mädchen auch nicht groß war. Er war gut aussehend und klug. Er war ein rücksichtsvoller, leidenschaftlicher Liebhaber. Und nachdem sie sich mit der Tatsache abgefunden hatte, dass sie nicht mehr „ein liebes Mädchen“ war, erwiderte sie seine Liebe mit all der Kraft, die sie so lange gehortet hatte.
Nancy war verliebt, obgleich sie wusste, wie albern das war. Wo würde sie jemals einen so perfekten Mann finden? Seine Manieren waren makellos, und seine Fähigkeit, mit allen über alles sprechen zu können – sogar mit Helen fand er ein gemeinsames Gesprächsthema –, bewunderte sie. Ihre Mutter allerdings ließ sich nicht so leicht von ihm einnehmen. Sie war misstrauisch und besorgt, und seit dem Moment, in dem sie erkannte, dass Billy für Nancy eine Rolle spielte, sorgte sie dafür, dass ihre Tochter umso mehr im Haus und auf den Feldern zu tun hatte. Nancy blieb so gut wie keine freie Zeit mehr. Aber dennoch fand sie Möglichkeiten, ihn zu treffen.
An jenem Abend war es allerdings keine Freude, sondern eine Notwendigkeit, Billy zu treffen. Er wollte für drei Tage nach Hause zu seinen Eltern fahren, und er freute sich sehr darauf. Er war nicht so unsensibel, es Nancy ins Gesicht zu sagen, wie sehr er sich darauf freute, in sein altes Stadtleben zurückzukehren, aber sie erkannte die kleinen Bemerkungen, die darauf hinwiesen. Das hatte sie erwartet, und sie hatte sich keine falschen Hoffnungen gemacht. In ihrem Kopf waren sie beide so verschieden, dass sie sicher war, dass Billy sie sofort vergessen würde, sobald er in Richmond war.
Heute Abend allerdings musste sie ihm mitteilen, dass es nicht ganz so leicht sein würde, den Kontakt einfach abzubrechen.
Helen hatte nie verstanden, warum Nancy von Zeit zu Zeit so gern allein war, und regte sich ständig über geschlossene Zimmertüren und Mädchen auf, die sich für etwas Besonderes hielten. Als Nancy dabei war, sich für ihre Verabredung heute Abend mit Billy umzuziehen, platzte Helen in ihr Zimmer, ohne vorher anzuklopfen, so wie sie es immer tat.
„Du verbringst mir zu viel Zeit mit diesem Jungen“, sagte Helen geradeheraus. „Heute Abend solltest du besser zu Hause bleiben.“
Nancy puderte ihre Nase zu Ende. Ihre Hände zitterten ein wenig, und sie war blass, und das lag nicht an dem Make-up, das sie trug. „Mama, er ist in ein paar Tagen weg. Lass mich doch einfach.“
„Er hätte schon fahren sollen, bevor er überhaupt hier ankam. Ein Junge wie er braucht nichts, was wir ihm hier zu bieten hätten.“
Nancy wusste, dass es Helens Art war zu sagen, er brauchte sie nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte ihre Mutter recht.
Draußen kühlte es sich ab, und sie zog eine fein gestreifte Bluse mit einem kleinen Kragen und einen Wickelrock aus Baumwolle an. Billy hatte angeboten, mit ihr essen zu gehen, und obwohl sie daran zweifelte, dass es je dazu kommen würde, wollte sie nett angezogen sein, egal, was Billy zu der Verabredung tragen würde.
„Nancy …“
Nancy schloss die Augen und wartete.
„Sei ja vorsichtig“, sagte Helen schließlich. „Das ist alles. Sei nur vorsichtig.“
Diese Warnung kam schon zu spät.
Billy holte Nancy fünfzehn Minuten später ab und gab sich Mühe, höfliche Konversation mit Helen zu betreiben, bis ihm klar war, dass es keine Entspannung zwischen ihnen geben würde. Sobald sie auf der Hauptstraße waren, ließ er das Dach herunter und den Motor der Corvette aufheulen.
„Fahr ran“, sagte sie, als die Kombination aus frischer Luft und hoher Geschwindigkeit dafür sorgte, dass sich ihr Magen anfing zu drehen.
„Warum?“
„Sofort!“
Er bremste, bis der Wagen stillstand, und sie schaffte es gerade noch, aus dem Wagen zu kommen, bevor sich ihr Mageninhalt auf den Seitenstreifen ergoss.
Billy reichte ihr sein Taschentuch und hielt ihr eine geöffnete Flasche Cola hin, die er aus einer Packung auf dem Rücksitz genommen hatte. Damit konnte sie sich den Mundausspülen. Dann wartete er, bis sie wieder in der Lage war zu sprechen.
„Du hättest es mir vorher sagen sollen, dass es dir heute Abend nicht gut geht“, schalt er sie. „Du solltest nach Hause gehen und dich ins Bett legen.“
Sie fing an zu weinen, und er legte die Arme um sie und streichelte ihr den Rücken. „Hey, nicht so schlimm. Es braucht dir nicht peinlich zu sein. Das passiert jedem einmal.“
„Nein, Männern passiert das nicht!“
Er brauchte
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