Sommer der Entscheidung
ein gutes Gefühl einher, kein Schmerz.
Nachdem sie Cissy und Mrs. Claiborne geholfen hatte, die Reste des Essens im Kühlschrank und in Dosen zu verstauen und noch mehr Krüge mit Eistee und Thermoskannen voller Kaffee zu den anderen Gästen hinauszutragen, stellte sie sich neben Mack. Er wippte seinen Fuß zu dem anschwellenden Refrain von „Will the Circle Be Unbroken“.
Er nahm sie in den Arm, als wäre in den letzten drei Jahre nichts geschehen. Sie schmiegte sich mit ihrer Hüfte an seine und wiegte sich mit ihm gemeinsam im Takt.
Zeke, der ein offenes Hawaiihemd und abgeschnittene Hosen trug, spielte Banjo. Tessa beobachtete ihn dabei, wie er ein kompliziertes Solo spielte, für das er von der versammelten Mannschaft einen kräftigen Applaus bekam. Errötet vor Freude, trat er grinsend einen Schritt zurück, damit der Kontrabassist seine Solomelodie zupfen konnte.
„Das wollte ich schon immer mal lernen“, sagte Mack. „Warum nimmst du keinen Unterricht?“
„Wann denn, in den bedeutungsschwangeren Pausen zwischen ‚Daher befindet das Gericht den Angeklagten …‘ und ‚… für nicht schuldig‘?“
„Vielleicht solltest du dir mal ein wenig Freizeit gönnen.“
„Das mache ich, wenn du mitmachst. Warum fängst du nicht mit Geigenunterricht an? Wir könnten eine Band gründen!“
Sie lachte, weil sie beide wussten, dass sie zwar acht schmerzvolle Jahre Klavierunterricht bei dem besten Lehrer in Richmond genommen hatte, aber nicht viel weiter als bis„Für Elise“ gekommen war.
Die Band fing mit dem nächsten Song an. „Black Mountain Rag“, stellte Mack fest, bevor er mitsummte.
„Woher weißt du das alles?“
„Das höre ich, wenn du nicht da bist.“
„Und sogar, wenn ich da bin.“
„Schätzchen, du hast einen Mann aus den Bergen geheiratet!“
Bevor Tessa antworten konnte, griff er um ihre Taille und wirbelte sie herum. Sie warf den Kopf zurück und lachte, während sie versuchte, nicht zu stolpern und mit Mack mitzuhalten. Er hielt sie beim Tanzen so fest umarmt, dass sie den Jeansstoff seiner Hose gegen ihre nackten Beine scheuern und seinen harten Beckenknochen an ihren fühlen konnte. Sie lehnte ihren Oberkörper an ihn und legte ihre Arme um seinen Nacken.
Ihr Atem schwebte in ihren Lungen, als könnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie man ausatmete. Und das lag nicht an der Anstrengung. Nein, auf keinen Fall. Sie spürte Begehren in sich aufsteigen, das dringende Verlangen, das sie befiel, als sie zum ersten Mal mit Mack zusammen war und das sie ganz und gar vereinnahmte. Und sie merkte, dass auch jetzt wieder seine Magie auf sie übersprang.
Sie hatte ihn seit Jahren nicht mehr so sehr begehrt wie in diesem Augenblick. In der letzten Zeit hatte sie nur Wut und Kummer gespürt, einen kalten grauen Wind, der alles auslöschte, was sie an Gefühlen für ihren Mann hatte. Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen, und sie umarmte ihn noch fester, um sich in seiner Wärme behaglich zu rekeln.
Sie hörten auf zu tanzen, aber er ließ sie nicht los. Mittlerweile war es dunkel geworden, und sie traten ein Stückchen aus dem beleuchteten Kreis, in dem die Band saß, zurück. Mack hielt sie eng umschlungen, während sie sich gemeinsamzur Musik wiegten und zuhörten, wie die Geigen seufzten, die Mandoline trillerte und Zekes Banjo mit Improvisationen einen Gegenpunkt zur Melodie der Gitarre setzte.
„Ich fühle mich wieder jung“, flüsterte er ihr zu.
Ihr ging es genauso, als habe sie jemand aus dem Treibsand gerettet und auf festen Boden gestellt. Sie wusste, dass dieses Gefühl nicht lange andauern würde und dass sie wieder zurück in den gefährlichen Sand fallen würde. Aber das Gefühl, nur für einen Moment die feste Erde unter ihren Füßen zu spüren, zu wissen, dass es sie noch gab und dass Tessa sie vielleicht für eine längere Zeit wieder finden würde, machte sie fröhlich.
„Mom und Gram haben Spaß.“ Sie deutete mit dem Kopf zu ihnen, die am Rand der erleuchteten Fläche auf Plastikklappstühlen saßen. Nancy sprach mit Mrs. Claiborne, und Helen freundete sich mit den Ersatzsoldaten der konföderierten Armee an. Irgendwann im Laufe des Abends hörte Tessa sie die Vorzüge des Präsidenten Jackson loben.
„Wie lange, was glaubst du?“, fragte er sie.
„Wie lange was?“
„Wie lange werden die beiden noch hierbleiben?“
„Ich glaube, um Gram von hier fortzubekommen, brauchst du einen Bulldozer.“
„Gut, und schaffen wir es bis nach
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