Sommer der Entscheidung
„Wie konnten wir solch einen Fehler machen?“
„Fehler?“
Sie stand auf und befreite sich aus seinem Griff. „Oder wie würdest du es nennen?“
„Ich würde es hoffnungsvoll nennen.“
„Hoffnungsvoll?“
Er schwang seine Beine aus dem Bett. „Gibt es nicht schlimmere Dinge im Leben, als noch ein Kind zusammen zu haben?“
„Wie kannst du darüber reden, ein Kind zu haben, nach all dem, was passiert ist?“
„Wir können Kayley nicht ersetzen. Ich will es auch gar nicht versuchen. Aber können wir uns nicht eingestehen, dass das, was wir mit ihr hatten, so wunderbar, so schön war, dass wir noch ein kleines Mädchen oder einen kleinen Jungen haben wollten, der wieder Freude in unser Leben bringt?“
Panik überkam sie. Nun konnte sie sich nicht mehr zusammennehmen. Die nächsten Worte kamen aus ihrem Mund, ohne dass sie es kontrollieren konnte: „Ich will niemals wieder ein Kind haben.“
„Niemals ist eine lange Zeit. Niemals ist so lang wie die Zeit selbst.“
Mit zitternden Händen zog sie sich wieder ihr Kleid über und drehte sich um. Im Kopf überschlug sie kurz ihren Zyklus– die Chance, dass sie heute fruchtbar war, war gering, aber sie war trotzdem besorgt. „Als ich die Pille abgesetzt habe, habe ich mit meinem Gynäkologen über Sterilisation gesprochen. So sieht es aus.“
„Aber du hast es nicht getan?“
„Noch nicht. Ich habe mit dem Arzt darüber gesprochen, dass ich den Eingriff im Herbst durchführen lasse.“
„Und wann hast du geplant, dass du es mir endlich sagen würdest? Danach?“
Sie sah ihn nicht an. Das Gespräch mit ihrem Arzt war rein informativ gewesen, sie hatte sich noch nicht wirklich zu dem Eingriff entschlossen. Aber jetzt, mit Macks Samen in ihrem Schoß, mit der geringsten Wahrscheinlichkeit, dass sie noch einmal schwanger werden könnte, sah sie keinen anderen Ausweg. Wenn sie auch nicht auf Grund dieses Fehlers schwanger würde, wie könnte sie jemals ein zweites Mal dieses Risiko eingehen?
Wie würde sie mit der Möglichkeit, noch einmal ihr Kind zu verlieren, leben können? Wie würde sie das überleben können?
Mack stand auf. „Du weißt, dass ich eine Familie möchte. Aber scheinbar komme ich in deinen Plänen nicht mehr vor.“
Sie sah ihm zu, wie er seine Kleider nahm und sich anzog. Sie konnte nicht sprechen. Sie konnte ihm nicht zureden. Sie war so davon betroffen, was gerade geschehen war, dass sie nicht denken konnte.
Er richtete sich auf und begann, sein Hemd zuzuknöpfen. „Hast du diese Entscheidung ohne mich getroffen? Hast du diesen Punkt für uns beide entschieden?“
„Mein Körper. Meine Entscheidung.“ Sie hob ihre Hände, wie um zu flehen. „Es muss sein.“
„Also du hast deinen Entschluss getroffen, und jetzt treffe ich meinen? Für dich, Tess, oder für jemanden, die nichtAngst davor hat, was in der Zukunft passieren wird. Möglicherweise für eine Frau, die dem Leben eine Chance geben will?“
Tessa war versucht, Ja zu sagen, ihn so vor den Kopf zu stoßen, dass er sie für immer in Ruhe lassen würde. So, dass er endlich seine Ansprüche an Normalität und an ein Leben, das andere Paare als selbstverständlich annahmen, mitnehmen würde. Vielleicht hätte sie es zu Beginn dieses Sommers getan, bevor die Wärme sich wieder einen Weg in ihre Seele zurückgebahnt hatte. Jetzt aber konnte sie ihn nicht mehr wegschicken.
„Ich liebe dich“, sagte sie leise. „Ich wünschte, das würde ausreichen.“
Mack schloss die Augen für einen Moment. Dann ging er mit seinen Schuhen in der Hand hinter ihr zur Tür und schloss dabei die restlichen Knöpfe seines Hemdes. Kurze Zeit später hörte Tessa die Haustür zuschlagen und einen Motor starten.
Der Treibsand begann wieder, unter ihren Füßen zu mahlen.
Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012
27. KAPITEL
A m Samstagmorgen ging die Sonne so glühend auf, dass um neun Uhr die Temperatur im alten Farmhaus fast nicht mehr auszuhalten war. Tessa hatte kaum ihre Joggingstrecke absolvieren können, und Nancy telefonierte gegen Helens Willen mit Elektrofirmen, um eine Klimaanlage einbauen zu lassen.
„Glaubst du, ich lasse sie herkommen, damit sie mir das ganze Haus auseinanderreißen, nur damit du ein bisschen weniger schwitzt?“, fragte Helen, als Nancy hinaus auf die Veranda kam. Dort saßen ihre schwer atmende Mutter und ihre Tochter.
„Verdammt recht hast du. Weil ich die Einzige bin, die deine Nachbarn anrufen werden, wenn du an einem
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