Sommer der Entscheidung
flog Mack nach Kalifornien, weinte bei der Beerdigung, tröstete seine verzweifelte Mutter und machte sich danach daran, die Finanzen zu ordnen, damit die Zukunft seiner Mutter gesichert war.
Als Kayley starb, vergaß er, sich zu rasieren oder sich die Zähne zu putzen.
Dieser Freund, dessen erwachsener Sohn einige Jahre zuvor bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen war, besuchte Mack drei Wochen nach Kayleys Beerdigung. Er suchte für Mack Kleidung heraus, half ihm, sich in das Auto zu setzen und fuhr ihn zu diesem Treffen. Seitdem ging Mack jede Woche hin. Sein Freund besuchte die Treffen nur nochsporadisch, aber Mack war noch nicht so weit, dass er ohne die Gruppe auskam.
Tessa war nur einmal da gewesen, um ihn zu unterstützen. Mack hatte die Hoffnung schnell aufgegeben, dass sie ein zweites Mal kommen würde.
An diesem Abend war der Raum noch leer. Das Treffen würde erst in einer Stunde beginnen, und Mack war nur hier, um Informationsbroschüren auszulegen, die er in seinem Büro kopiert hatte. Gleich danach wollte er zu Helen fahren und Tessa ihren Koffer bringen.
Der Raum war schon für die Versammlung hergerichtet. Mack öffnete seine Aktentasche und legte die Broschüren auf einen Tisch neben der Tür. Erin, eine andere Teilnehmerin, die normalerweise immer früher kam, um zu sehen, ob die Stühle und Tische auch richtig aufgestellt waren, würde sie dort finden und später bei Bedarf austeilen.
Mack verharrte eine Weile reglos im Raum. Er musste sich überwinden, nach Toms Brook zu fahren. Wenn er nach Kayleys Tod überhaupt Ruhe gefunden hatte, dann hier. Tessa hielt seine regelmäßigen Besuche bei der Selbsthilfegruppe für eine Art Sucht, aber er wusste, dass er sie brauchte wie der Ertrinkende den Rettungsring.
Der Raum war kühl und still. Er starrte an die Wand über dem Tisch, aber statt der gewohnten dunklen Holzvertäfelung erblickte er dort das Gesicht seiner Frau. Früher hätten sie nicht so unterschiedliche Meinungen zu einem Thema gehabt. Von Anfang an hatten sie dieselben Haltungen, Werte, Hoffnungen und Träume. Sie waren zwei unterschiedliche Menschen, aber sie sahen die Welt durch dieselben Augen und atmeten im selben Rhythmus.
Jetzt waren sie einander fremd geworden.
„Mack?“
Er sah auf, Erin stand im Türrahmen. Sie war Ende zwanzig,die frühere „Miss Butter“ aus Minnesota. Nach dem Studium war sie in den Süden gezogen, um für das Landwirtschaftsministerium zu arbeiten. Ihr rundes Gesicht war für den Mittleren Westen typisch: offen, freundlich, von nichts als einem Haufen Sommersprossen verunstaltet. Ihr Haar war flachsblond, und ihr Lächeln hatte etwas von einem Ausflug auf den Jahrmarkt. Ihr hatte er vom ersten Augenblick an vertraut, als sie sich damals getroffen hatten. Aber nun traute er sich selbst nicht mehr, wenn es um Erin Foster ging.
Sie betrat den Raum genau so, wie sie alles tat: voller Energie und quicklebendig. „Mack, was machst du denn hier schon so früh?“
„Ich bin nur schnell vorbeigekommen, um die Broschüren abzuliefern.“ Er deutete auf den Stapel Papier. „Und du, was machst du hier?“
„Oh danke, dass du sie vorbeigebracht hast. Der Vorstand kommt vor dem Treffen zu einem Meeting zusammen. Ich wollte nur schnell noch Kaffee machen.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Hilfst du mir, die Tische zu decken?“
„Tut mir leid, aber ich kann heute nicht bleiben.“
„Du kommst nicht zum Treffen?“
„Nein, leider nicht. Meine Frau ist nicht in der Stadt. Sie ist für den Sommer nach Shenandoah County gefahren. Ich will ihr den Koffer bringen, den sie vergessen hat.“
„Oh schade, wir werden dich vermissen.“
Sie hörte sich wirklich ein wenig traurig an. Mack war Experte dafür, das Unausgesprochene zu hören – eine Fähigkeit, die ihm in seinem Beruf sehr nützlich war. Jetzt allerdings war er sich nicht sicher, was er sagen wollte und wie er ihre Reaktion einzuschätzen hatte.
Gerade hatte er Erin praktisch mitgeteilt, dass er für die nächsten zwei Monate Junggeselle war. Und er hatte unterschlagen,dass Tessa aus familiären Gründen weggefahren war. Er hätte genauso gut lügen und Erin erzählen können, dass er und seine Frau sich auf Zeit getrennt hatten.
Und wie viel davon wäre gelogen?
„Du siehst ein bisschen niedergeschlagen deswegen aus. Kommst du klar?“, fragte Erin. „Willst du reden?“
Es tat ihm leid, aber eigentlich waren das, was er brauchte, Erins starke Arme um seinen Hals,
Weitere Kostenlose Bücher