Sommer der Entscheidung
in direkter Nähe zu einem Obstgarten.
Ein Mann auf einem Traktor fuhr die Auffahrt hinunter und ihr entgegen. Tessa winkte und murmelte etwas zur Begrüßung. Hier war sie nicht in der Stadt. Auf dem Lande ignorierten Nachbarn sich nicht, außer wenn sie ignoriert werden wollten, obwohl sie eigentlich Hilfe brauchten. Der Mann – sie nahm an, dass es Mr. Claiborne war – schaltete den Motor ab und kletterte vom Traktor, um mit ihr zu sprechen.
„Oh, Sie brauchen gar nicht anzuhalten“, sagte Tessa. „Ich wollte Ihnen nur Hallo sagen.“
Der Mann, er war Ende fünfzig und gertenschlank, wischte die Hand an seiner Jeans ab und reichte sie ihr: „Ron Claiborne.“
Sie begrüßte ihn freundlich. „Tessa MacRae. Ich bin die Enkelin von Helen.“
„Wie geht es ihr?“
Sie zog die Schultern hoch. „Wir sind Ihnen sehr dankbar, Mr. Claiborne. Sie hat ihre Probleme lange vor uns versteckt.“ Tessa hatte das Gefühl, dass von ihr mehr als nur diese einfache Aussage erwartet wurde, eine Erklärung, warum eine Familie so ahnungslos darüber sein konnte, wie schlecht es einer älteren Verwandten ging. Aber Tessa wusste nicht, was sie sonst noch hätte hinzufügen können.
Mr. Clairborne kam ihr zu Hilfe. „Helen redet nicht viel mit Leuten. Ich kann mir vorstellen, wie das abgelaufen ist.“
„Jedenfalls vielen Dank, wenigstens wissen wir jetzt Bescheid. Wir sind hier, um Ordnung zu schaffen und das Haus leer zu räumen. Dann sehen wir weiter.“
„Sie können sicher Hilfe brauchen.“
„Schon, aber Helen lässt niemanden ins Haus.“
„Kein Wunder.“ Er nahm seine Kappe ab – das Werbegeschenk eines Lagerunternehmens – und kratzte sich am Kopf. „Was haben Sie damit vor, ich meine, mit den Sachen, die Sie nicht mehr brauchen?“
Eine Sekunde lang überlegte Tessa, ob Dinge horten eine Art Lebensaufgabe für die Leute auf der Fitch Crossing Road war; dann wurde ihr jedoch klar, dass er ihr nur seine Hilfe angeboten hatte. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Im Moment tragen wir die Sachen nur raus und legen eine Plane darüber. Aber ich nehme an, dass wir jemanden damit beauftragen müssen, alles abzutransportieren.“
„Sie brauchen niemanden damit zu beauftragen. Ihre Großmutter ist meine Nachbarin, seitdem ich hier lebe. Ich habe mir erst kürzlich einen kleinen Pferdeanhänger gekauft, der wird für den ganzen Krempel reichen. Ich bring ihn heute rüber zu Ihnen und stell ihn in den Garten. Wenn Sie ihn vollgeladen haben, rufen Sie einfach an, und ich schaffe das Zeug zur Mülldeponie. Und falls Sie jemals meinen Pick-upbrauchen, um irgendwas zu transportieren, rufen Sie einfach an, und ich sag meinem Sohn Zeke, er soll mit dem Wagen zu Ihnen kommen. Das ist das Mindeste, was wir tun können.“ Er machte eine Pause. „Es tut mir leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe. Ich habe mir ein oder zwei Mal Ausreden einfallen lassen, um nach ihr zu sehen, aber ich hätte Sie in jedem Fall früher anrufen sollen.“
Von ihrer Mutter hatte Tessa immer nur gehört, die Claibornes seien unbedeutende Proleten, Säufer und Schläger. Komisch, wie Menschen sich wohl irren können. Dieser Mann war offensichtlich sehr anständig. Sie versuchte zu lächeln. „Sie haben mehr getan, als andere tun würden, und wir würden Ihren Anhänger sehr gern ausleihen, wenn Sie ihn nicht brauchen.“
Er nickte und setzte die Mütze wieder auf. „Ich komme später bei Ihnen vorbei.“
Tessa hob die Hand zum Abschied und machte kehrt, um zurückzugehen. Sie war die Hälfte des Weges zum Haus ihrer Großmutter schon gegangen, als ihr Handy klingelte. Sie hatte es in die Hosentasche gesteckt, um Mack nach dem Frühstück anzurufen, um ihm Bescheid zu sagen, dass sie zurückfahren würde, um ihren Koffer zu holen. Zu dem Zeitpunkt wäre er dann schon weg, und so vermied sie, mit ihm reden zu müssen. Es gab scheinbar nicht mehr viel, das sie sich noch zu sagen hatten. Sie holte das Telefon aus der Tasche und sah nach, wer anrief. Einen Moment überlegte sie, ob sie einfach nicht rangehen sollte, aber nach dem dritten Klingeln hob sie ab. Ein paar Dinge ließen sich einfach nicht vermeiden.
„Tessa?“
Sie räusperte sich. „Hallo, Mack, bist du auf dem Weg zur Arbeit?“
„Noch nicht.“
Stille. Sie fragte sich, ob er überlegte, was er als Nächstes sagen sollte.
Er verzichtete auf den Smalltalk. „Neben deinem Bett steht ein Koffer, ich glaube, er ist gepackt. Ich habe ihn erst heute Morgen dort
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